Ratingen: Schicksal als Chance genutzt
Ihr behinderter Sohn brachte Hilde Weidenfeld zum Ehrenamt. Die Kraft dafür schöpft sie auch in der Marienkapelle.
Ratingen. Ein Platz zum Ausruhen, zum Nachdenken und zum Kraft schöpfen - wenn ihr das Leben zu stürmisch wird, dann zieht sich Hilde Weidenfeld gerne in die Marienkapelle von St. Peter und Paul zurück. "Meistens hetzt man doch nur durch die Stadt, weil man etwas zu erledigen hat, da sieht man doch gar nicht mehr, wie wunderschön unser Ratingen eigentlich ist."
Als Vorsitzende der Lebenshilfe im Kreis Mettmann weiß sie, wovon sie spricht. Ihr Terminkalender ist prall gefüllt, ihr Tagespensum reicht oft bis tief in die Nacht hinein. Zeit, um eine Atempause einzulegen, bleibt da kaum. In der Kirche mitten im Herzen von Ratingen kann sie durchatmen und die Gedanken schweifen lassen. "Hier drin hört man den Lärm von der Straße nicht. Dazu kommt, dass die Kirche einfach was fürs Auge ist."
Doch auch vor den Toren von St. Peter und Paul gefällt Hilde Weidenfeld ihre Stadt, vor allem die historische Innenstadt rund um den Marktplatz, dort "wo sich das Leben bündelt." Schade findet sie nur, dass man dafür schnell den Blick verliert. "Alles, was schön ist, wird doch immer ganz schnell selbstverständlich. Auf einmal fällt nur noch das Negative auf."
1966 kam sie aus Düren nach Ratingen, als ihr Ehemann Walter zur Papierfabrik Tenax wechselte. Und ihre Familie brachte sie auch zur Lebenshilfe, genauer gesagt ihr Sohn Uli. "Die Lebenshilfe ist meine Lebensaufgabe, und Uli ist der Motor für all die Arbeit."
Der Jüngste ihrer vier Söhne kam mehrfach schwerstbehindert auf die Welt und veränderte das Leben der Familie Weidenfeld schlagartig. "Dann fängt man zwangsläufig an, sich schlau zu machen, wie es weitergehen soll." Hauptsorge der Eltern war die Frage, wo Uli später einmal leben sollte. "Wir wollten nicht, dass unsere anderen Kinder ihn später pflegen müssen, wenn wir es nicht mehr können." Doch Wohnangebote für behinderte Menschen gab es damals kaum. "Mein Traum war immer ein Haus, wie wir es jetzt an der Werdener Straße haben."
Ein besonderes Anliegen ist für Hilde Weidenfeld die Frühförderung von kleinen Kindern. "Wenn wir durch den medizinischen Fortschritt schon Frühchen, die in der 23. Woche geboren werden, am Leben halten können, dann ist es auch unsere Pflicht, uns um diese Kinder besonders zu kümmern!"
Der ständige Kampf ums Geld ist dabei ihre Hauptsorge, aber auch ein Grund um auf Ratingen stolz zu sein. "Eine Stadt wird für mich auch dadurch schön, wie sie sich um ihre behinderten Menschen kümmert." Viele Ratinger sammeln an runden Geburtstagen oder Beerdigungen für die Lebenshilfe. "Die Schützen helfen uns immer im Sommer bei unserem Frühförderfest und sammeln auch sonst für uns." Und auch in Zukunft wird Hilde Weidenfeld versuchen, die Ratinger für ihre Lebenshilfe zu begeistern.