Schau zeigt Kunst junger Straftäter

Die kreativen Arbeiten von mehr als 100 straffällig gewordenen Jugendlichen sind im Foyer des Rathauses zu sehen.

Foto: Dietrich Janicki

Wülfrath. Am Anfang waren die Entscheider in den Städten skeptisch. Die Jugendgerichtshelferin Giuseppina Cagna musste regelrecht betteln, berichtete sie gestern. Freie Flächen für ein Graffiti-Projekt? „Da kommen doch zehn illegale Sprayer hinterher!“ Innerhalb von sieben Jahren und mit mehr als 100 Jugendlichen hat der Verein „Neue Wege“ solche Kritiker längst zu Fans gemacht. „Heute bekommen wir Flächen für unsere Graffiti-Projekte angeboten“, lacht Cagna. „Ich wünsche mir, dass das noch ganz lange so weitergeht.“

Giuseppina Cagna, Jugendgerichtshelferin und Verein Neue Wege

Eine Ausstellung im Foyer des Wülfrather Rathauses zeigt die Ergebnisse der Projekte: die Blubberwand vor der Wülfrather Wasserwelt, das bunte Trafohäuschen am Panoramaradweg oder das Wimmelbild am Club Heiligenhaus. Unter Anleitung des spanischen Künstlers Javier Landa Blanco sind Dutzende knallbunter Sprayer-Welten entstanden. Die Motive reichen vom Häuptling mit Fernblick übers Bergische Land bis zum rosa Wabbelmonster mit drei Augen auf einem Garagentor. Dabei gibt es auch bei der Zielgruppe viele Vorbehalten. „Ich kann nicht mal Strichmännchen malen“, wehren manche Jugendliche ab, wenn sie den ersten Tag zu einem neuen Projekt kommen. Andere sehen’s eher pragmatisch: „Besser sprühen als fegen!“

Die 15- bis 21-Jährigen sind nicht freiwillig da. Die Kreativaktionen sind eine Strafe, weil sie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Für Diebstähle, leichtere Körperverletzungen, Beleidigung und ähnliches wurden sie von Jugendgerichten dazu verurteilt, den Schaden an der Allgemeinheit wieder gut zu machen. Sie müssen Sozialstunden leisten. Ist das denn eine angemessene Strafe für jugendliche Täter — ein bisschen mit Farbe herumzuspritzen?

An dieser Stelle wird Giuseppina Cagna ernst: „Eine Strafe muss nicht weh tun. Sie soll etwas bewirken.“ Der Wülfrather Jugendgerichtshelfer Richard Starck ergänzt: „Über die Kunst können sie jeden Menschen erreichen. Das ist wichtig.“ Außerdem gibt es strikte Regeln in den Kreativ-Projekten des Vereins „Neue Wege“: Pünktlichkeit, Respekt im Umgang miteinander, das Einhalten von Absprachen. Und wenn sich ein pubertierender Jungstraftäter partout weigert, mitzumachen? „Dann mache ich ihm klar, dass ohne seinen Beitrag nichts wird — aus dem Gemeinschaftsprojekte“, sagt Cagna, ebenso gewinnend wie bestimmend.

Einmal bei der Ehre gepackt, hat noch jeder der Jugendlichen mitgemacht. Rückschläge wie zum Beispiel ein zerstörtes Graffiti vor einigen Jahren wurden gemeinsam verkraftet. Manchmal fragt ein junger Helfer, ob er beim nächsten Mal wieder mitmachen darf — freiwillig.