Velbert-Neviges Was Neviges im ersten Halbjahr bewegte

Nach 345 Jahren werden die Franziskaner aus dem Wallfahrtsort verabschiedet und auf der Kleinen Höhe wird keine Forensik gebaut.

Nach der abgeschlossenen Entkernung des ehemaligen Krankenhauses begannen die Abbrucharbeiten am Gebäude.

Foto: Ulrich Bangert

Januar

Kein guter Jahresauftakt: Ein 71-jähriger Nevigeser stirbt beim Brand seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Weinbergstraße. Die Wehr findet den Mann leblos in der völlig verrauchten Wohnung. Der Mariendom ist voll, als die Nevigeser sich zum Weihnachtsliedersingen an der Krippe versammeln. Die neue Bon-Pflicht erhitzt die Gemüter der Nevigeser Einzelhändler. Ihre Kunden möchten diesen meist gar nicht haben.

Nach 345 Jahren endet in der bis auf den letzten Platz gefüllten Wallfahrtskirche mit der emotionalen Verabschiedung der Franziskaner aus Wallfahrt, Gemeinde und Kloster eine Ära. Der Bürgerverein Tönisheide trauert um seine langjährige Geschäftsführerin Ilse Denker (90). Als Lehrerin an der Realschule in Neviges, später in Tönisheide, hatte sie eine ganze Generation unterrichtet. Seit Jahresbeginn betreibt Abellio die S 9 und RB 49, und die Kunden sind nach vier Wochen wegen unpünktlicher oder gar ausgefallener Züge sehr unzufrieden. Nirgendwo habe es so viele Schwierigkeiten gegeben wie bei der S 9, räumt das Unternehmen ein.

Februar

Der CVJM bittet zum dritten Gala-Dinner zugunsten der Jugendarbeit ins frisch renovierte Gemeindehaus an der Siebeneicker Straße und freut sich über zahlreiche Gäste. Sturm „Sabine“ beschäftigt kreisweit die Feuerwehren, Neviges kommt mit nur einem großen umgestürzten Baum, der die Asbrucher Straße blockiert, mehr als glimpflich davon. Der Bürgerbusverein Neviges/Tönisheide wird mit dem Langenberger Verein für sein ehrenamtliches Engagement mit dem zweiten Platz des Velberter Heimatpreises geehrt. Das Wetter zeigt den Tönisheider Narren eine lange Nase: Eine Sturmwarnung veranlasst die KG Zylinderköpp, den Umzug und den Karnevalstreff auf dem Kirchplatz kurzfristig abzusagen. Die Feuerwehr zählt wetterbedingt zahlreiche Einsätze, unter anderem einen umgestürzten Baum auf der A 535 vor der Anschlussstelle Wülfrath. Immerhin beruhigt sich das Wetter am Rosenmontag, so dass zahlreiche Nevigeser Karnevalisten am Zug in Velbert-Mitte teilnehmen können.

Nachdem Anfang Januar an der Hochstraße erste Erdarbeiten begannen, wird nun der Grundstein des neuen Feuerwehr-Gerätehauses für den Löschzug Tönisheide gelegt. Ins frühere Café Paas zieht das Nostalgie-Café ein. Noch gibt es keine Corona-Verdachtsfälle, doch die Pandemie, die bald das Leben weltweit verändern wird, wirft ihre Schatten voraus: Zum Beispiel reagieren die Kirchen im Dorf mit der Einführung von Hygieneregeln für die liturgische Praxis.

März

Nach der Anfang des Jahres begonnenen Entkernung schreitet der Abriss des einstigen Elisabeth-Krankenhauses voran. Die Pläne für die neuen Wohnhäuser finden ein geteiltes Echo – einige Politiker kritisieren die ihrer Meinung nach zu große Gebäudehöhe.

Ungewöhnliche Bergungsaktion: Ein Schulungshubschrauber der Bundespolizei muss wegen technischer Probleme außerplanmäßig auf einer Wiese circa 700 Meter von der Donnenberger Straße entfernt landen. Er wird tags darauf von einem Lastenhubschrauber aus dem Gelände gehoben und zu einem Tieflader auf der Straße gebracht. Der Bund sagt zwei Millionen Euro für die energetische und barrierefreie Sanierung des Panoramabades zu, aus einem Förderprogramm von Land, Bund und EU sollen 200 000 Euro in die Nevigeser Innenstadt fließen.

Das Covid-19-Virus erzwingt Mitte März den ersten Lockdown. Schulen, Kitas und Kirchen schließen, die Hardenberger Schützen sagen ihren Königsabend ab, der NTV seine Jahreshauptversammlung, der SV Union verkündet, wie auch die anderen Vereine, die Einstellung des Trainingsbetriebes. Absagen aller Art folgen in den nächsten Wochen und Monaten. Alternativ werden neue Wege zu den Menschen gesucht: So lädt die evangelisch-reformierte Gemeinde erstmals zu Andachten auf Youtube ein, die katholische Gemeinde stellt Videobotschaften ins Netz.

April

Die Deutsche Marktgilde betreibt ab Monatsbeginn für weitere zwei Jahre den Nevigeser Wochenmarkt, sehr zum Verdruss der Werbegemeinschaft Neviges (WGN). Die hatte sich dreimal vergeblich beworben, wirft zudem der Stadt mangelnden Einsatz vor. Das Seniorenheim Burgfeld wird zur Sperrzone für Besucher. Nach einem Felssturz wird der Waldweg von der Schützenstraße nach Tönisheide zum Unmut vieler Nevigeser für zwei Monate gesperrt. Nach Lockerung der Schutzmaßnahmen freuen sich auch die Nevigeser Einzelhändler, dass sie nach vier Wochen ihre Läden wieder öffnen dürfen.

Für die Nutzer der Tönisheider Kleingarten-Anlage und einige Anwohner sind die Motorradfahrer auf der Kuhlendahler Straße mit der „Müllermilch-Kurve“ ein permanentes Ärgernis, für die Zweiradfahrer ist die Strecke ein beliebtes Ausflugsziel. Zur Entspannung der Lage suchen die Biker das Gespräch mit den Anwohnern. Auch das ist Neuland in Pandemiezeiten: Pfarrer Lars Reinhardt aus Thüringen, Kandidat für die vakante zweite Pfarrstelle der evangelisch-reformierten Gemeinde, hält seine Probepredigt vor leeren Kirchenbänken und einer Videokamera. Das Presbyterium beschließt einstimmig seine Anstellung. Mit 90 Jahren stirbt in Dortmund der ehemalige Nevigeser Wallfahrtsleiter, Pater Hubertus Hartmann. Der Franziskaner hatte mit dem Wunsch, alle Nevigeser unter einem Dach zu versammeln, 1988 die Hubertus-Messe ins Leben gerufen und war dem Wallfahrtort bis zu seinem Tod eng verbunden.

Mai

Mit der Wallfahrtseröffnung kehren die Gläubigen in den Mariendom zurück. Die Messe mit Weihbischof Dominik Schwaderlapp, an der zunächst nur einige Mitglieder der Gemeindegremien teilnehmen, dient zugleich als Probelauf für die unter Hygiene- und Abstandsvorschriften wieder öffentlichen Gottesdienste. Die großen Wallfahrten im Jahresplan werden jedoch in den nachfolgenden Wochen eine nach der anderen abgesagt. Auch die Dülmer wollen erstmals seit 339 Jahren nur virtuell zum Gnadenbild pilgern.

Der Lockdown hat auch im städtischen Haushalt tiefe Spuren hinterlassen und einen massiven Einbruch der Steuereinnahmen verursacht. Die Krise trifft mit voller Wucht die einheimischen Firmen wie Automobilzulieferer Erbslöh Aluminium. Kämmerer Christoph Peitz bekräftigt jedoch, an den beschlossenen, großen städtischen Projekten, wie der Sanierung von Schloss Hardenberg, festzuhalten. Immer öfter wird an den Wertstoff-Containern Unrat und Hausmüll abgestellt, der zunehmend Ungeziefer anlockt. An den Containern am Parkplatz Auf der Beek lebt bereits eine ganze Rattenkolonie von den Hinterlassenschaften. Als Sofortmaßnahme reagieren die Technischen Betriebe mit zusätzliche Reinigungstouren an den Wochenenden. Der Rat beschließt einstimmig, die Gesamtschule Velbert-Neviges auf sechs Züge auszubauen. Die ehemalige Hardenbergschule soll außerdem so projektiert werden, dass diese auch zu einer selbstständigen sechszügigen Gesamtschule erweitert werden könnte.

Juni

Zu Pfingsten verkündet der Nevigeser Pfarrverweser, Kreisdechant Pfarrer Daniel Schilling, dass im September die Gemeinschaft St. Martin die Seelsorge in Wallfahrt und Pfarrgemeinde übernimmt. Tiefschlag dagegen für die evangelisch-reformierte Gemeinde: Völlig unerwartet sagt der kurz zuvor bestätigte Seelsorger für die zweite Pfarrstelle ab – die Suche geht von Neuem los. Durch Zusammenarbeit von WGN, katholischer Gemeinde, Schlossförderverein und dem Verein „50 Nevigeser“ wehen an mehreren Stellen der Stadt neue Flaggen mit dem alten Stadtwappen. Laut Gutachten bleiben die Schülerzahlen in den Nevigeser Grundschulen stabil, während sie in Velbert-Mitte deutlich steigen werden. Die Diakonie Bleibergquelle möchte auf ihrem Gelände eine zweizügige Grundschule errichten. Die Nevigeser Autorin Jaqueline Montemurri erhält den Kurd-Laßwitz-Preis, der ist neben dem Deutschen Science-Fiction-Preis die bedeutendste Auszeichnung ihres Genres. Vor 75 Jahren kamen die Diakonissen zur Bleibergquelle. Zum Jubiläum gibt es ein Buch über die Geschichte des Mutterhauses – den Festveranstaltungen fährt die Pandemie in die Parade. Der Rat der Stadt Wuppertal lehnt in geheimer Abstimmung den Bebauungsplan für die Forensik an der Kleinen Höhe ab. Politiker beiderseits der Stadtgrenze wünschen den Erhalt des Grüngürtels als Ackerland. „Besser als zunächst befürchtet“, zieht Spargelbauer Peter Wiemer eine positive Bilanz der Spargelernte im Kuhlendahl. Stadtförster Peter Tunecke schlägt Alarm. Die Trockenheit im nunmehr dritten Jahr in Folge setzt den Wäldern in und um Neviges stärker zu als Orkan Kyrill.