„Weihnachten: Alle Jahre wieder, mit allgegenwärtiger Botschaft“
Der Pfarrer der evangelisch-reformierten Gemeinde teilt seine Gedanken über das Weihnachtsfest mit den Lesern der WZ.
Wülfrath. Und doch fragt man sich vielleicht: Worum geht es denn da eigentlich? Klar: die Geburt Jesu, Gottes Sohn. Aber was verbinde ich damit? Ich denke, da ist es gut zu schauen, was die Menschen damals für Hoffnungen hatten: So lese ich im alttestamentlichen Prophetenbuch Micha: „Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. […] Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein.“
Eine alte Weihnachtsbotschaft, eingerahmt von allgegenwärtigen Weihnachtsbegriffen: Betlehem, der kleine Ort zwischen all den anderen größeren Städten, als bescheidener Ursprungsort einer riesengroßen Welthoffnung. Und dann der Schlusssatz: „Er wird der Friede sein.“ Das bringt doch all das zusammen, was wir uns zu Weihnachten wünschen: Friede! Friede in den großen Konflikten der Weltpolitik, Friede in unserer Gesellschaft und nicht zuletzt auch Friede in unseren Familien und Nachbarschaften. Ein Friede also, wie wir ihn uns doch alle wünschen, ein Friede, der aber dann doch irgendwie unerreichbar zu sein scheint.
Ja, reicht es eigentlich, alle Jahre wieder Weihnachten zu feiern, wenn dann doch nichts passiert? Reicht es, die immer gleiche Weihnachtsbotschaft in die Welt zu rufen: „Friede auf Erden!“, wenn dann doch nichts geschieht? Ich meine, Weihnachten wird zur bloßen Formsache, wenn wir uns nicht trauen, solche Fragen zu stellen.
Micha, der Prophet, aber zeigt, dass da mehr ist: Schon der Ortsname Betlehem ist mehr als ein idyllischer Platz, passend als Kulisse fürs Krippenspiel. „Betlehem“ ist ein geheimnisvolles Codewort: Eigentlich war Jerusalem die Hauptstadt, Betlehem aber die Heimat der früheren Königsfamilie. Somit ist Betlehem der Ausgangspunkt einer Geschichte, die gut gemeint war, sich dann aber leider schlecht weiterentwickelt hat. Dort will Micha einen Neuanfang: Denn wer sich auf den Ursprung besinnt, bekommt neue Möglichkeiten und Chancen. Die Rückbesinnung auf Betlehem wirkt wie ein Umweg, ist aber in Wahrheit der einzige Ausweg: Wer nach Frieden sucht, muss Umwege in Kauf nehmen und muss diese Umwege aushalten können. Das ist die leider harte Wahrheit mitten in diesem Weihnachtstext.
Gott setzt uns großen Gefahren und schlimmen Erfahrungen aus, Gott rettet nicht immer und überall, Gott nimmt Niederlagen in Kauf und mutet uns Niederlagen zu. Das zu akzeptieren ist nicht immer leicht, gerade wenn wir an unseren Friedenswunsch denken, aber ich glaube, es ist nötig, geduldig zu hoffen, dass es Gott mit uns allen, mit seiner geliebten Schöpfung am Ende gut meint. So ist es sicher nicht verkehrt, eben diese Weihnachtshoffnung uns auch weiterhin zu wünschen. Sie ist doch der Kern der Weihnachtsbotschaft, die mit der Geburt Jesu in die Welt gekommen ist: „Ihnen allen Friede auf Erden!“