Kommentar Kreisverwaltung sorgte vor der Wahl für Irritation statt Information
Meinung · Kritisch war nicht eine Anzeige an sich, sondern die Kombination aus Erscheinungstermin und Inhalt. Statt der Wahlthemen war der Landrat selbst im Fokus.
Am 6. September 2020 dürfte es beim Aufschlagen des „Extra-Tipp am Sonntag“ in vielen Haushalten des Kreis Viersen irritiertes Stirnrunzeln gegeben haben. Auf vier Seiten informierte die Kreisverwaltung damals zu ihren Leistungen und Plänen in allen Bereichen, die für die Bürger bei der Kommunal- und Landratswahl am folgenden Sonntag eine Rolle spielen würden.
Stets im Fokus: der Landrat selbst. Obwohl es in der Verwaltung mit Sicherheit eine Vielzahl verdienter und erfahrener Mitarbeiter gab, die zu den verschiedenen Themen hätten gezeigt und befragt werden können, ließ sich der Landrat gleich dreimal selbst im Bild zeigen, zwölfmal zitieren und 17 mal namentlich erwähnen. Und das ganz bewusst – denn man kann gewiss sein, dass diese Anzeige nicht veröffentlicht wurde, ohne dass Inhalt und Erscheinungsdatum zuvor von Andreas Coenen abgesegnet wurden. Den Steuerzahler kostete das 13.700 Euro.
Kritisch ist dabei aber nicht die Anzeige an sich, sondern die Kombination aus Erscheinungstermin und Inhalt. Dass der Landrat das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am Montag dennoch schlicht als „falsch“ bezeichnet, ist nicht nur anmaßend, es ist auch nicht schlüssig. Denn als nach Erscheinen der Anzeige Kritik aus nahezu allen Parteien laut wurde, drückte Coenen selbst sein „Bedauern“ aus und ließ verlauten: „Rückblickend wäre ein größerer zeitlicher Abstand zum Wahltag sicher besser gewesen.“ Auch er hatte die Problematik also zweifelsfrei erkannt. Aber er glaubte wohl, dass es beim Murren und ein paar erhobenen Zeigefingern bleiben würde. Falsch gedacht.
Ob es ohne die unlautere Wahlwerbung zu einer Stichwahl gekommen wäre, kann niemand mit Sicherheit sagen. Aber das Gericht hält es für durchaus realistisch. Und das allein ist bereits Skandal genug. Der Kreistag muss sich nun gut überlegen, ob er die Lage tatsächlich anders einschätzt als das Gericht, und in Berufung geht – oder ob man die nahende Landtagswahl vielleicht gleich als Gelegenheit für eine Wiederholung der Landratswahl nutzen könnte. Das würde zumindest den finanziellen Schaden für die Bürger im Rahmen halten.