Großes Interesse in Viersen Leiter der Soko Mirco spricht vor VHS-Publikum

Grefrath/Viersen · Nach dem Mord an dem kleinen Mirco aus Grefrath stellte Ingo Thiel die größte Mordkommission der Nachkriegsgeschichte zusammen. Auf Einladung der VHS berichtete er erstmals vor Nicht-Fachpublikum von der Suche nach dem Mörder.

Eigentlich sollte Mordermittler Ingo Thiel im VHS-Zentrum über den Mordfall Mirco berichten. Wegen der großen Nachfrage wurde der Abend in die Aula des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums verlegt.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Der Fall Mirco ist 13 Jahre her – aber unvergessen. Der Mord an dem zehnjährigen Jungen aus Grefrath ist zwar aufgeklärt, der Täter gefasst und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, trotzdem bleibt in der Öffentlichkeit das Interesse weiterhin groß. Das zeigte jetzt der Vortrag von Ingo Thiel, Leiter der Soko Mirco, in der Aula des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums in Viersen. Dorthin hatte die Kreisvolkshochschule ihre Veranstaltung aufgrund des großen Interesses verlegt.

Ingo Thiel hat über die Ermittlungen der Soko Mirco bereits vielfach referiert. Aber der Vortrag an diesem Abend wendete sich zum ersten Mal an ein nicht-polizeiliches Publikum. Rund 140 Zuhörer folgten gebannt mehr als anderthalb Stunden den Ausführungen des bundesweit bekannt gewordenen Polizisten.

Die Soko Mirco nahm ihre Arbeit am 4. September 2010 auf und arbeitete bis zum 15. März 2011, also noch über die Festnahme des Täters Olaf H. aus Schwalmtal am 26. Januar 2011 hinaus. 65 Ermittler aus halb NRW, von Aachen bis Oberhausen, waren bei der Kripo Mönchengladbach zusammengezogen worden. Das Suchgebiet bei Grefrath war etwa 55 Quadratkilometer groß. Zehn Hundertschaften der Bereitschaftspolizei, insgesamt 1000 Frauen und Männer, beteiligten sich an der Suche nach Mirco. Es war die bisher größte Suchaktion in der deutschen Kriminalgeschichte, so Thiel. Dabei fielen 2500 Asservate, zumeist Müll, an, die alle untersucht werden mussten. Mirco verschwand am 3. September 2010. Es war der erste Schultag nach den Sommerferien. Die Soko hat den Tagesablauf akribisch rekonstruiert. Um 13.30 Uhr war der letzte Kontakt mit der Mutter. Um 14 Uhr fuhr Mirco mit dem Fahrrad nach Oedt, wo er sich mit Kindern auf dem Skate-Platz traf. Durch ein Missverständnis fiel es den Eltern erst am nächsten Morgen auf, dass ihr Kind nicht nach Hause gekommen war. Sie stellten eine Vermisstenanzeige.

Zwei Tage später wurde das Fahrrad des Jungen in einem Feld gefunden, kaum einen Kilometer von seinem Zuhause entfernt. Um die Daten des Mobilfunkmastes Tomm Heide an der A 40 auslesen zu können, kam die Polizei zu spät. Sie wurden damals nur zwölf Stunden gespeichert. Am 7. September meldete sich eine Zeugin, die auf dem Parkplatz an der Hinsbecker Straße eine Sporthose gefunden hatte.

Ein privater Mantrailer
mit Hund war auch im Einsatz

Die Polizei durchsuchte das Gelände und fand weitere Kleidungsstücke, die Mirco zugeordnet werden konnten. Erst im November fand ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei in einer Straßenböschung Mircos Handy. Die Suche wurde aufwändig ausgeweitet. Es kamen Taucher zum Einsatz. Ein privater Mantrailer mit Hund wurde beauftragt, das habe „richtig viel Geld“ gekostet, erinnert sich Thiel. Drohnen waren damals ein Novum. Ein Privatmann musste die Polizei erst von den Möglichkeiten dieser Technik überzeugen. Sogar die Bundeswehr war mit Aufklärungs-Tornados beteiligt, die Wärmebilder führten aber zu keiner neuen Spur. Es gab viele Hinweise aus der Bevölkerung, aber auch skurrile Angebote: Wahrsager, Sucher mit Pendel oder selbst ernannte Profiler boten ihre Dienste oder Erkenntnisse an, seitenlange Faxe blockierten die Kommunikation. Sogar ein Knochenwerfer aus Peru wäre gegen Bezahlung nach Deutschland gekommen.

Entscheidender war die Zeugenaussage, einen dunklen Passat in der Nähe des Feldweges mit dem Fahrrad gesehen zu haben. Die Beamten der Soko arbeiteten durchschnittlich 13 bis 15 Stunden, ohne Diskussion. 2600 Fahrzeuge wurden überprüft, 27 Personen mit Speichelproben erfasst. Über das Auto fand man auch die Spur zum Täter. Am 26. Januar 2011 wurde der Täter um 6 Uhr in seinem Haus in Schwalmtal verhaftet. Der damals 45-jährige Familienvater hat selbst drei Kinder. Gegen Mittag führte er die Polizei zur Leiche. Insgesamt wurde Olaf H. neun Tage lang verhört. Die Soko erhielt zum Fahndungserfolg mehr als 1000 Glückwünsche aus aller Welt. Zur Beerdigung des Jungen in Grefrath erschien die Soko vollzählig.