Zwei Jahre Krieg in der Ukraine „Dass die Not so groß ist, haben wir nicht gedacht“
Kempen · Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 sammelten zwei Männer aus Kempen Lebensmittel und weitere wichtige Dinge und brachten sie immer wieder in die ukrainischen Karpaten. Ans Aufhören denken sie nicht.
Es war kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022, als Markus Dohmen und Heribert Welter aus Kempen auf die Idee kamen, privat eine Hilfsaktion zu starten. Sie sammelten Spenden, brachten Lebensmittel, Babynahrung, Hygieneartikel und andere dringend benötigte Dinge in die ukrainischen Karpaten im Westen des Landes. Dohmen hatte mehrfach Urlaub in den Karpaten gemacht, bei geführten Offroad-Touren Land und Leute kennengelernt. Der Mann, der die Touren damals leitete, bat über Facebook um Hilfe. Dohmen zögerte nicht.
Seither sind zwei Jahre vergangen. Immer wieder fuhren Dohmen und Welter in die Karpaten, brachten unzählige Dinge, die sie in Kempen als Spenden bekommen hatten, hin. Unter anderem eine Heizung für ein Haus, das der griechisch-orthodoxe Priester Ivan Isajovych zum Kinderheim umgebaut hatte, und Spielzeug. Nicht alle Kinder im Heim seien Waisen, sagt Welter, „die Eltern bringen ihre Kinder dorthin und gehen in den Krieg, Mann und Frau.“ Krankenhausbetten transportierten die Kempener in die Ukraine, Unmengen von Lebensmitteln, warmer Kleidung und Hygieneartikeln, Notstromaggregate und einen Kanonenofen, der mit Heizöl betrieben wird.
Nach Einsatz in der Ukraine
mit den Kindern zum Karneval
Lebensmittel und warme Sachen stehen auch weiterhin ganz oben auf der Liste der Dinge, die Welter in seiner Halle schon für den nächsten Transport sammelt. Der 54-Jährige führt einen Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallations-Betrieb im Gewerbegebiet in Kempen. Er ist in der Kirche engagiert und Vorsitzender des Fördervereins St. Josef Kamperlings. Über den Förderverein werden auch Geldspenden gesammelt, die wiederum für den Kauf von Hilfsgütern für die Ukraine verwendet werden.
Im November und Dezember war Welter in der Ukraine, brachte medizinisches Material, Tütchen mit weihnachtlichen Leckereien für die Kinder, die Frauen am Niederrhein gepackt hatten, und fast eine Tonne Konserven in die kleine Stadt Serednje. Längst hat sich die Zusammenarbeit eingespielt: Pater Ivan verteilt die Hilfsgüter vor Ort weiter. Über Karneval war Welter zuletzt dort. Während andere am Altweiberdonnerstag im Zelt auf dem Kempener Viehmarkt die heiße Phase der närrischen Session einläuteten, stieg Welter im Gewerbegebiet in seinen Transporter und fuhr los, über Passau, Wien und Budapest zum ungarisch-ukrainischen Grenzübergang Záhony und weiter nach Serednje. Über 1500 Kilometer. Und das inzwischen zum 18. Mal.
Angst habe er dabei nicht, sagt der Kempener, „Serednje ist ja im Westen, da ist noch nicht viel bombardiert worden. Man hört nur ab und zu Bombeneinschläge.“ Was ihn mehr bedrückt: „Die Menschen resignieren. Sie haben Angst vor dem, was kommt.“ In der Region werde aktuell viel gebaut, Firmen, die zuvor in den nun von den Kriegshandlungen betroffenen Gebieten ansässig waren, siedelten sich im Westen an. „Was ich auch erschreckend finde: dass viele Russen dort jetzt Häuser und Grundstücke kaufen, das hat man mir erzählt“, sagt Welter. „Ich verstehe nicht, warum die Russen dazu überhaupt die Möglichkeit haben. Ich denke, dass das schon auf die Zukunft ausgerichtet ist.“
Dass sie immer weiter Spenden und Hilfsgüter sammeln und immer wieder hinfahren würden, ahnten Dohmen und Welter zu Kriegsbeginn nicht. „Wir haben gedacht, wir fahren vielleicht zwei, drei Mal hin“, erinnert sich Welter, „aber dass es so lange anhält und dass die Not so groß ist, haben wir nicht gedacht.“
Ans Aufhören denken sie aber nicht, „die Hilfe soll und muss weitergehen“, appelliert auch der Förderverein St. Josef Kamperlings an Spendenwillige am Niederrhein. Ob ihm noch nie jemand gesagt habe, er sei doch verrückt? „Doch“, sagt Welter und erklärt augenzwinkernd, warum er weitermacht: „Man muss dahinterstehen – und auch ein bisschen verrückt sein.“
Und: Man muss abschalten können. „Wenn man das nicht kann, geht es nicht“, sagt der 54-Jährige. Nach dem letzten Einsatz in der Ukraine kam er nach drei Tagen Fahrt am Tulpensonntag wieder in Kempen an, „und dann bin ich mit meinen Kindern zum Viehmarkt gegangen – Karneval feiern.“