Wochenende in Kempen im Bann der Musik Sommermusik mit Gänsehaut-Momenten

Kempen · Nico Santos und Vicky Leandros zeigten sich begeistert vom Ambiente an der Kempener Burg und lieferten Darbietungen ab, die die Fans begeistern. Der Verkehrsverein als Organisator verzichtete erstmals auf den Klassik-Samstag.

Nico Santos begeisterte das Kempener Publikum mit einem tollen Auftritt auf der Burgwiese.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Die Kempener haben den Freitagabend kurzerhand zum Stadtfest gemacht: Die Wiesen außerhalb des umzäunten Konzertgeländes sind bevölkert von Besucherinnen und Besuchern aller Altersstufen. Rund um die Burg haben kleine Gruppen Jugendlicher ebenso ihre Picknickdecken ausgebreitet wie zahlreiche Familien mit Kindern. Zumindest akustisch profitieren sie alle vom organisatorischen Glück und Geschick des Kempener Verkehrsvereins. Dessen Sprecher Hans-Gerd Schoofs zeigt sich erfreut: „Wir haben Nico Santos schon vor drei Jahren gebucht. Heute könnten wir ihn uns wohl nicht mehr leisten.“ Mit ihm freut sich Bürgermeister Christoph Dellmans: „Toll, was für schöne Veranstaltungen der Verkehrsverein immer wieder für Kempen organisiert!“

Ina (49) und Miriam (43) sind mit ihren Töchtern Nora (9) und Helene (10) hier. Ziemlich weit vorne, leicht seitlich vor der Bühne, haben die beiden Mamas einen richtig guten Platz. Freilich nicht ganz so gut wie ihr Nachwuchs. „Die stehen da vorne in der ersten Reihe, direkt an der Bühne und sind so glücklich“, sagt Miriam. Die beiden Kempenerinnen teilen lachend, tanzend und singend die Begeisterung ihrer Töchter: „Es ist so schön, endlich wieder zusammen feiern zu können.“ Mit den Konzertkarten haben sie die Mädchen zu Weihnachten überrascht. Auf die Frage nach den Vätern kommt die einstimmige Antwort: „Heute ist Mädelsabend!“

Radiohits werden
textsicher mitgesungen

Dicht an dicht standen vor allem junge Leute beim Santos-Konzert.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Derweil gibt der umjubelte Star des Abends alles, um auch die Vätergeneration musikalisch abzuholen: Seine bestens eingespielte Band agiert erfrischend unkonventionell an diesem sonnigen Sommerabend. Die mitunter glatt und radiotauglich produzierten Charts-kompatiblen Hits von Nico Santos entfachen live ungeahnt rockiges Potenzial. Soli von Gitarrist und Schlagzeuger überzeugen auch noch die in den 70er Jahren musikalisch sozialisierten Mittfünfziger im Publikum. Dessen Altersdurchschnitt ist beileibe nicht so niedrig, wie man hätte annehmen können. Zwar himmeln erwartungsgemäß jede Menge verzückter Sieben- bis 17-Jährige ihren Star an und singen textsicher dessen Radiohits mit. Darüber hinaus scheint es, als ob heute halb Kempen auf den Beinen ist, um im lauschigen Burgpark auf Tuchfühlung mit einem echten Popstar zu gehen. Wie etwa die ortsansässigen Freundinnen Anne und Anna, beide 38. Sie sind über einen Zufall ganz kurzfristig an Karten gekommen und stoßen auf ihr Glück mit Weißwein an. „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, hier bei uns einen Künstler von diesem Kaliber live zu erleben“, sagt Anna begeistert.

Nico Santos zeigt sich bestens gelaunt. Mit dem Publikum teilt er seine Freude darüber, in der Heimat seiner Frau aufzutreten – die beiden haben sich erst wenige Tage zuvor das Jawort gegeben: „Es ist so schön, dass die Familie hier ist!“ Musikalisch zieht Santos alle Register, lässt von Ed Sheeran bis Michael Jackson seine Vorbilder erkennen und begeistert sein Publikum mit einer abwechslungsreichen Show. Ob beim energiegeladenen Hit „Rooftop“ oder bei einem Unplugged-Intermezzo zur Akustikgitarre – eins ist unbestreitbar: Der Mann kann singen. Beim als Zugabe gespielten Michael-Jackson-Cover „Man in The Mirror“, Santos’ erklärtem Lieblingssong, singen tausend Stimmen mit. Ein Gänsehaut-Moment, Kempen ist selig.

Die meisten Fans dürften ihrem Idol Vicki Leandros noch nie so nahe gewesen wie am Samstagabend. Die Sängerin stieg zweimal von der Bühne herab, um ihrem Publikum ganz nahe zu sein. Im Gegenzug fand sie eine Anhängerschaft, die spontan der Aufforderung zu kleinen solistischen Auftritten mit Mikrofon folgte und auch entschieden meisterte. Beim St. Martinszug habe der Vorstand des Verkehrsvereins entschieden, die Künstlerin einzuladen. Fünf Tage später sei bereits von deren Management die Zusage gekommen, hatte Jürgen Hamelmann in der Begrüßung verraten. Der Verkehrsverein habe sich das Ziel gesetzt, die Burgwiese zu einem unter Künstlern als attraktiv bekannten Veranstaltungsort zu machen, versprach der Vorsitzende. Von einigen jungen Besuchern abgesehen, dominierte die Generation ab 50plus, die mit Hits von Vicki Leandros aufgewachsen ist und fast alle Refrains kennt. Als Leandros im langen Glitzerkleid die Bühne betrat, brandete erwartungsvoller Willkommensapplaus auf. Etliche Besucher im mit 1300 Sitzplätzen ausverkauften Konzert verzichteten auf Sitzkomfort, um stattdessen seitlich der Stuhlreihen über die Köpfe hinweg auf die Bühne sehen zu können und zusätzlichen Aktionsraum zu gewinnen. Zum Sirtaki formierten sich hier zum Beispiel kleine Gruppen zu Tanzgemeinschaften. Die sympathisch auftretende Musikerin verstand es, ihr Publikum mitzunehmen. Das klatschte zu rhythmisch betonten Stücken mit, sang nach bestem Vermögen die Refrains mit und entzündete zur einsetzenden Dämmerung Wunderkerzen. Einziges Manko der Veranstaltung war, dass über die Technik die Stimme an manchen Plätzen ein wenig verfremdet ankam. Vicki Leandros startete mit dem sehnsuchtsvollen Chanson „Tu t´en vas“, ehe sie sich für die Einladung bedankte. „Was für eine Freude, zum ersten Mal in Kempen und in so einer schönen Kulisse aufzutreten“, schwärmte die Musikerin. In der Moderation erzählte sie, vor drei Jahren ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert zu haben. Sie berichtete von Höhepunkten, Erfolgen und mitunter auch peinlichen Begebenheiten während der langen Karriere. Das Defilee der vielen Hits dürfte auch für die meisten Zuhörer eine Zeitreise zu eigenen Erinnerungen gewesen sein. Als „altes Lied, das seit den Siebzigern immer dabei ist“ kündigte Leandros „Ich bin“ an. Unterstützt von der mitgebrachten Band erinnerte sie in Medleys mal temperamentvoll, dann wieder sehnsuchtsvoll oder auch mal kapriziös an ihre griechischen Titel, bekannte Chansons und das Lied von „Valentin“. Die Plattenfirma hätte wegen des homosexuellen Themas den Titel Ende der 70er Jahre nicht aufzeichnen wollen, erfuhren hierzu die Kempener. Hochaktuell wirkte Leandros Lied „Verlorenes Paradies“, das schon 1982 Umweltsünden anklagte. Das von den meisten Fans heftig herbei gesehnte Lied „Ich liebe das Leben“ hatte sich der Gast für das Finale aufgehoben. Dafür hatte die einstige Grand-Prix-Siegerin das Publikum als „Riesenchor“ für den Refrain eingeplant. Eine von ihr angeregte Probe bewies, dass ohnehin die meisten mit Text und Melodie bestens vertraut waren. Im Dank für den jubelnden Schlussapplaus und die Bitten um Zugaben verließ Vicki Leandros ein zweites Mal die Sicherheit der Bühne. Auf Augenhöhe mit dem Publikum und zum Blitzen der Smartphone-Kameras ergänzte sie noch ein wenig die Zeitreise.