Viersen Todesfall Luca: Auch Jugendamt im Fokus
Die Anteilnahme ist nacht dem gewaltsamen Tod des Fünfjährigen weiter groß in Dülken. Politiker fordern eine lückenlose Aufklärung.
Viersen. Entsetzen, Fassungslosigkeit und auch Wut: So fühlen viele Viersener nach dem gewaltsamen Tod des kleinen Luca. „Als Vater eines gleichaltrigen Jungens fühle ich mich emotional sehr berührt“, sagt Thomas Gütgens, CDU-Vorsitzender des Jugendhilfe-Ausschusses. „Ich kann nur schwer damit umgehen, wenn es um unschuldige und wehrlose Kinder geht, denen man Gewalt antut“, sagt Manuel Garcia Limia, SPD-Mitglied im Jugendhilfe-Ausschuss und selbst Vater. Dülkens Pfarrer Jan Nienkerke meldet sich aus dem Westerwald: „Ich teile die Betroffenheit, Trauer und den Schmerz vieler Menschen über den frühen und sinnlosen Tod — manche Dinge machen einen einfach sprachlos.“
Viele Viersener fragen sich nach der Gewalttat: Warum musste der Fünfjährige sterben? Hätte sein Tod verhindert werden können, wenn das Jugendamt Viersen anders gehandelt hätte?
Am Dienstag war der Lebensgefährte der Mutter wegen Verdacht auf Totschlag in Untersuchungshaft genommen worden. Der 26-Jährige leugnet die Tat bisher. Laut Polizei soll er den Jungen aber mehrfach misshandelt haben, dies habe Luca Dritten anvertraut. Die Obduktion am Montag hatte ergeben, dass der Fünfjährige vor seinem Tod gewürgt wurde. Zudem wurde stumpfe Gewalt auf Kopf und Bauch ausgeübt, die zu inneren Verletzungen führte. Die Mutter des Kindes wurde freigelassen. Die Polizei ermittelt jedoch weiter gegen sie wegen der früheren Misshandlungen.
Wie Nachbarn berichteten, haben sie mehrfach das Jugendamt und auch die Polizei alarmiert. „Ständig Schreierei. Stress, Kinderweinen“, schildert Nachbar Frank K. (Name geändert). Luca habe immer schmächtig und kränklich gewirkt. „Was hätten wir tun sollen, außer das Jugendamt zu alarmieren?“, fragt der Nachbar. Er sei „tierisch sauer“ und fassungslos.
Die Stadt Viersen bestätigte gestern auf erneute Nachfrage, dass der Fall „seit mehreren Monaten nach Hinweisen von Bürgern und aus der Kindertagesstätte bekannt war“. Stadtsprecher Frank Schliffke sagte: „Das Jugendamt ist unverzüglich tätig geworden, hat die Familie aufgesucht.“
Grünen-Chefin Martina Maaßen pocht jetzt auf lückenlose Aufklärung insbesondere der Rolle des Jugendamtes und hat deshalb zeitnah eine Sondersitzung des Jugendhilfe-Ausschusses vorgeschlagen. Allerdings „gab es ein familiengerichtliches Verfahren am Amtsgericht Viersen“, so ein Sprecher des Landgerichts Mönchengladbach. So sollte ein Sachverständiger klären, ob die Mutter des Jungen „erziehungsfähig“ sei und ob von ihrem Lebensgefährten eine Gefahr für den Jungen ausgehe. Der Gutachter habe aber keine Gefährdung gesehen, sagte der Sprecher.
Sobald im Viersener Jugendamt Hinweise auf Vernachlässigung oder Gewalt gegen Kinder eingehen, „werden die Mitarbeiter unmittelbar tätig und informieren den Allgemeinen Sozialen Dienst“, schildert Erster Beigeordneter Paul Schrömbges. Außerhalb der Bürozeiten nehme der Notdienst eines Jugendhilfeträgers die Meldungen an. „Unmittelbar danach sind die Mitarbeiter verpflichtet, zu zweit Hausbesuche zu machen, um sich ein persönliches Bild von der Lebenssituation des Kindes zu machen“, so Schrömbges. Ergebnis und Einschätzung des Hausbesuches werden dokumentiert, der Vorgesetzte werde darüber informiert.
„Sobald Gefahr im Verzug ist, also das Wohl des Kindes akut gefährdet ist, wird der Nachwuchs unmittelbar in Obhut genommen und in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht“, erklärt der Beigeordnete. Innerhalb von 24 Stunden werde das Familiengericht informiert, das über den Verbleib in der Einrichtung entscheide. Wenn keine akute Gefährdung besteht, „wird mit den Eltern eine schriftliche Vereinbarung getroffen, wie die Lebenssituation des Kindes verbessert werden kann“, so Schrömbges. Auch die Mutter des getöteten Jungen hat laut Stadt „Hilfe zur Erziehung“ erhalten und angenommen.