Kreis Viersen vor 75 Jahren Vor 75 Jahren wurden die Schulen wiedereröffnet

Willich/Grefrath. · Im Sommer 1945 wurden die Schulen nach dem Krieg wieder geöffnet. Die Kinder waren glücklich darüber.

Die Lehrerin Karoline Helmken war in der damaligen Willicher Mädchenschule tätig. Heute sind dort eine Kita und das Jugendzentrum Hülse untergebracht.

Foto: Stadtarchiv

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand man im Sommer 1945 vor der Wiedereröffnung der Schulen. Ein großes Aufräumen fand statt – nicht nur im Hinblick auf Ausstattung und Lehrmittel. Auch im religiösen Sinne ging ein Aufatmen durch die überwiegend katholische Bevölkerung im Kreis.

Die Verbannung der Kirche aus der Öffentlichkeit, wie sie die Nazis mit ideologischer Verbissenheit betrieben hatten, war zu Ende. Ein besonders symbolhaltiger Vorgang dabei war die Rückkehr der Kreuze in die Schulen. Es gibt eindrucksvolle Berichte von der Freude und Genugtuung, die damit vielerorts verbunden waren.

Im Zeitzeugenbericht der Willicher Lehrerin Karoline Helmken heißt es: „Dann kamen die Klassenräume an die Reihe. Als in der Kirche wieder hl. Messe war – vorher nur im Krankenhaus – wurde gesagt: Die Eltern mögen die Kinder schicken, um die Schulen aufzuräumen. Ja, alle, alle kamen. Frauen, die früher an der Spitze der Frauenschaft gestanden hatten, mussten schrubben. Wir räumten wieder alle Akten auf. Wie glücklich waren die Kinder, als am 25. August die Schule wieder begann. Eine kirchliche Feier ging am 20. August voraus. Von der Kirche aus zogen Lehrer und Kinder mit den Kreuzen wieder in die Schulen, Bänke hatten wir nur wenige. Man saß auf der Fensterbank oder auf dem Boden. Aber die Schule hatte begonnen. Die Kreuze waren im 3. Reich aus den Klassen entfernt. Jeder Lehrer(in) bewahrte das Klassenkreuz zu Hause bis nach dem Krieg.“

Die Schulchronik des Grefrather Lehrers Johannes Beniers schilderte den Vorgang in seinem Ort. Er zitiert ein Schreiben des von den Engländern eingesetzten Landrates Mülleneisen: „Nachstehend übersende ich eine Liste der Lehrkräfte, gegen deren weitere Verwendung die Militärregierung keine Einwendungen erhebt. Ich bitte Sie, für die Wiedereröffnung der Schulen umgehend Sorge zu tragen. Der Unterricht beginnt unmittelbar, nachdem Ihnen der Zeitpunkt von der hiesigen Kommandantur bekannt gegeben wird, für die Jahrgänge 1935, 1936, 1937 und 1938.“

Dann beschreibt Beniers den Schulbeginn: „Es war für uns ein wirklich freudiges Ereignis, dass jetzt die Zeit gekommen war, trotz der großen Misere an Lehr- und Lernmitteln mit Unterricht und Erziehung jetzt so zu beginnen und aufbauen zu können, wie es uns früher verboten war. Morgens um 8 Uhr war hl. Messe für alle Schulkinder und es traf sich, dass gerade der hochw. Herr Weihbischof Hühnermann aus Aachen, der hier zur Spendung der hl. Firmung verweilte, an der Eröffnung teilnehmen konnte. Nach der hl. Messe wurden die alten Schulkruzifixe, die s. Zt. ganz still und heimlich nachmittags aus den Klassen verschwunden waren, vom H. H. Weihbischof neu eingesegnet, dann wurden sie den einzelnen Klassen voran getragen zum Schulplatz.“

NSDAP-Ortsgruppe berichtete vom „Gegner von der Kanzel“

Auch in Grefrath hatten es die Nazis nicht leicht gehabt, wie sie selbst in einer Schrift des Jahres 1938 betonten. Darin berichtet die Ortsgruppe der NSD­AP: „Den Höhepunkt der ersten nationalsozialistischen Veranstaltungen bildete jedoch der 1. Mai 1933. Groß und klein, jung und alt nahmen mit einer in Grefrath nie gekannten Begeisterung teil. Aber es sollte sich bald herausstellen, dass es sich um ein Strohfeuer gehandelt hatte. Nachdem der erste Begeisterungstaumel vorüber war, konnten sich unsere Gegner, vor allem die von der Kanzel, wieder betätigen. Der Kampf für unsere junge Ortsgruppe auf weltanschaulichem Gebiet setzte ein, und hält heute nach nahezu fünf Jahren in unverminderter Stärke an, ja, dieser Kampf wird von Tag zu Tag verschärft und es werden noch Jahrzehnte nötig sein, ehe die nationalsozialistische Weltanschauung so Fuß gefasst hat, wie der Führer es erstrebt.“