Bienen Tönisvorst: Die Imkerei als Geschäftsmodell
Tönisvorst · Der St. Töniser Ingo von Trossel nennt 250 Bienenvölker sein Eigen. Seinen Honig will er nun in Supermärkten verkaufen. Die Verhandlungen dazu laufen.
Ingo von Trossel holt sein Smartphone hervor und wischt sich durch das Foto- und Video-Archiv. Schließlich hat er die Aufnahme gefunden: Zu sehen ist ein lilafarbenes Feld im strahlendem Sonnenschein: der berühmte Lavendel der Provence. Im vergangenen Sommer war der St. Töniser in Südfrankreich – im Rahmen einer echten „Völkerwanderung“. Denn mit dabei waren 80 Bienenvölker vom Niederrhein. Vier Wochen verbrachten die Insekten vor Ort, um fleißig Lavendelhonig zu produzieren. Zwei Tonnen kamen so zusammen. Einfach so in die französische Landschaft stellen, konnte Ingo von Trossel seine Völker allerdings nicht. „Ich musste zunächst beim Bürgermeister des Ortes vorstellig werden“, erzählt er. Dann wurde ihm ein Landwirt zugeteilt, auf dessen Flächen die Bienchen schwirren durften. Die Blüten mussten sie sich mit den Tieren anderer Imker teilen, die aus dem selben Grund in die Provence gereist waren. Der St. Töniser blieb eine Weile, übernachtete im Zelt. Dann übernahmen Ortskundige die Bewachung der wertvollen Völker und Ingo von Trossel konnte die Heimfahrt antreten. Vier Wochen später holte er die Bienen wieder ab. Ähnlich ist er in Brandenburg vorgegangen, wo sich Kornblumen-Honig gewinnen lässt.
Der 58-Jährige ist Imker aus Leidenschaft. Und ist derzeit dabei, daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Er möchte seinen Honig in die Läden bringen, steht nach eigener Aussage in Verhandlungen mit diversen Supermärkten. „Das Verkaufen ist eine Herausforderung“, gibt er zu. Die nötige Technik, darunter eine Abfüllanlage, hat er sich schon besorgt. Als vor drei Jahren sein Vater Hasso (der nicht nur am Niederrhein für seine Dackel-Zucht bekannt war) starb und er sich verstärkt um seine Mutter kümmern musste, fasste er den Entschluss zur Selbstständigkeit. Davor war der gelernte Tischler in der Sonnenschutz-Branche tätig gewesen.
Sein Bienen-Know-how ist riesig. „Ich könnte stundenlang erzählen“, sagt von Trossel. Immerhin befasst er sich seit 40 Jahren mit den Insekten. Ein Nachbar brachte ihn zu diesem Hobby. „Ich war damals schwerkrank und monatelang zuhause“, erzählt er. Irgendwann habe der Bekannte nebenan Mitleid mit dem jungen Mann auf der anderen Seite des Zauns gehabt und ihn herüber gerufen. Die erste Begegnung mit den Bienen war äußerst schmerzhaft. „Sie haben mich abgetackert“, erzählt Ingo von Trossel – und meint gestochen. „Ich habe drei Tage lang gelitten, konnte kaum aus den Augen gucken.“ Was vermutlich die meisten anderen Menschen für immer abgeschreckt hätte, steigerte seine Faszination nur noch.
Besagter Nachbar schenkte ihm zwei Völker, damit fing alles an. Heute nennt er 250 Völker sein Eigen, jedes Volk ist geschätzt rund 50 000 Bienen stark. Sie sind in der gesamten Region verteilt, die genauen Standorte verrät Ingo von Trossel nicht. Zu groß ist seine Furcht, dass den Tieren durch Menschenhand etwas passiert. Die Bedrohung durch Krankheiten reicht ihm. Im Jahr 2008 habe er ein „Massensterben“ erlebt, von den damals 30 Völkern überlebte nur die Hälfte. Schuld war die berühmt-berüchtigte Varroa-Milbe, ein Parasit.
Bienen und alles, was mit ihrer Zucht zusammenhängt, „ist ein hochkomplexes Thema“, sagt der Fachmann. Bis zu 18 Stunden am Tag widmet er sich der Imkerei. Was brennt ihm aktuell auf den Nägeln? „Der Raps war in diesem Jahr eine Katastrophe“, klagt er. „Dafür sieht es mit der Linde ganz gut aus.“
Von Trossels persönlicher Favorit ist der Waldhonig. „Der eignet sich zum Beispiel sehr gut zum Marinieren von Steaks“, sagt er und empfiehlt direkt noch einen Klassiker für die kalten, nassen Tage: „Lauwarme Milch mit Waldhonig hilft gegen den Kratze-Hals.“