Kabarettlesung in Neersen Wie Willich zur Kifferkommune werden könnte
Neersen · Stadtarchivar Udo Holzenthal hat einen humoristischen Blick ins neue Jahr geworfen. Seine satirische Tagebuchlesung „Jahr der Entscheidung“ kommt gut an bei den etwa 150 Zuhörern im Neersener Schloss.
(wic) Ein ereignisreiches Jahr liegt vor der Verwaltung und der Bürgerschaft von Willich, wenn sich die Prophezeiungen des Stadtarchivars Udo Holzenthal erfüllen. In der Motte von Schloss Neersen, wo sonst der Rat tagt und die Weichen für die Zukunft der Stadt stellt, trug Holzenthal am Sonntag Tagebuchauszüge vor. Allerdings hatte er das Tagebuch von 2024 in der Hand und es war bereits vollgeschrieben. Etwa 150 Besucherinnen und Besucher lauschten dem, was da kam und amüsierten sich bestens.
Besonders die geplante Dirtbike-Anlage in Schiefbahn wird demnach 2024 für einige Verwicklungen sorgen. Weil die Sportler wesentlich höher springen und weiter fliegen, wird nicht nur die Seniorenresidenz bald fensterlos sein und werden Jung und Alt sich näher kommen, als ihnen lieb ist, auch der Bau der Regiobahn verzögert sich, was dem „Landtagsabgeordneten Guido G.“ gar nicht gefällt.
Positiv hingegen wirkt sich aus, dass Willich Cannabis-Modell-Kommune wird. Das merkt man besonders im Ordnungsamt, wo es ungewohnt freundlich und friedlich zugeht und die Besucher die Kaffeekasse mit Scheinen füttern. Zudem steigt durch das Modellprojekt innerhalb eines Tages die Einwohnerzahl der Stadt auf 52 000, weil bekannt geworden ist, dass bei allen Stadtfesten kostenlos Cannabis ausgegeben wird.
Auch diverse Ereignisse rund um die Kita Blauland ziehen sich durchs Jahr. Statt ins Gefängnis zu gehen, können Straffällige in der städtischen Einrichtung arbeiten und so ihre Strafe ableisten. Dass die Kinder dadurch angeregt werden, sich auf dem Boden festzukleben, um ihren Willen durchzusetzen, das Haushaltsgeld der Eltern mit Hilfe eines Schnellballsystems vermehren und andere windige Geschäfte aufziehen, sind hinnehmbare Nebenwirkungen im Kampf gegen den Fachkräftemangel.
Nicht nur wegen solcher Ideen kommt die Lesung gut an. Auch der Aufbau der Texte mit rotem Faden und witzigen Formulierungen findet Gefallen. Besonders für Willicher sind Lokalkolorit und Anspielungen auf Persönlichkeiten wie „Bürgermeister Christan P.“, „Kämmerer Raimund B“, „Pfarrer Markus P.“, Mitglieder der Heimatvereine oder der Prinzengarde lustig.
Udo Holzenthal stand mit der Tagebuchlesung nicht zum ersten Mal auf der Bühne. Schon 2020 hatte der Stadtarchivar einen Blick in die Zukunft geworfen und sich ausgemalt, wie es 2030 wohl in Willich zugeht. Und auch als Quizmaster hat der 56-Jährige sich einen Namen gemacht. „Die Idee, einen Blick ins Jahr zu werfen, kam ganz spontan“, erzählt Holzenthal. Er habe viel aufgeschnappt und einiges einfach weitergestrickt.
Dass die Willicher ihre Heimat lieben, zeigt sich nach dem Brand des Schwimmbads „De Bütt“, den Holzenthal in den September 2024 gelegt hat. Um die Reparatur der Schäden zu finanzieren, lassen die Bürger sich einiges einfallen. Der Anrather Heimatverein funktioniert den Bunker zu einem Escape-Room um und spendet den Eintritt für die Reparatur des Schwimmbads. Die Restaurants erheben einen Bütt-Zuschlag und die Pfarrer bauen von Unternehmen finanzierte Werbeblöcke in ihre Predigten ein: „Red Bull verleiht auch dem Glauben Flügel“ oder „Herr, sei uns ein guter Hirte und führe uns zu Lidl, denn Lidl lohnt sich“.
Bei so viel Solidarität und Engagement kann es nur ein gutes Jahr für Willich
werden.