Willicher Schützen-Geschichte: 100 Eier für den Schützenkönig
Früher hielt sich der Aufwand für das Amt in Grenzen. Eine neue Publikation beleuchtet die Willicher Schützen-Geschichte.
Willich. „Der beste Schütze erhielt aus den Händen des Brudermeisters die Kette mit dem Vogelanhänger übergestreift. Der König gab anschließend im Wirtshaus ein Ohm Bier, 100 Eier und einen Korb Brot an die Schützen aus.“ Ein Ohm waren rund 150 Liter.
Anfang des 17. Jahrhunderts hielt sich der Aufwand für das Amt des Schützenkönigs in überschaubaren Grenzen. Die Heimat- und Geschichtsfreunde Schiefbahn beleuchten in der aktuellen Ausgabe ihrer Publikation „Zeitspuren“ die Historie der Schützenbruderschaften und Schützenvereine.
Paul-Günter Schulte auf anschauliche und informative Weise dargelegt, wie sich das Schützenwesen entwickelte. Die ältesten Schützenbruderschaften im Stadtgebiet wurden im 15. Jahrhundert gegründet. Heimatschutz stand zunächst im Vordergrund, aber auch dass gesellige Beisammensein wurde von Anfang an großgeschrieben.
Nach und nach sank die Bedeutung der Wehrbereitschaft, die Schützengesellschaften und -bruderschaften wurden mehr und mehr zu Fest- und Feiergesellschaften. In Schiefbahn unterhielten die St. Sebastianer einen eigenen Altar in der Pfarrkirche. Das Vermögen stammte aus Landbesitz und den daraus resultierenden Pachteinnahmen. Im Schiefbahner Unterbruch lagen viele dieser Ländereien. Dort wurde auch auf den Vogel geschossen.
Die Willicher St. Sebastianer regelten im 18. Jahrhundert unter anderem das: „Wenn jemand Streit anstiftet, muss er zehn Quart Bier zahlen.“ Auf der anderen Seite entlohnte der Pastor die Offiziere nach der Prozession mit zehn Quart (einige Liter).
Nach der Franzosenzeit war ein Rückgang des Schützenwesens festzustellen. Unter den Preußen sollte sich dieser Trend jedoch umkehren, was dem damaligen Hang zu Romantik und alten Gebräuchen entspricht. Mit der Industrialisierung stiegen die Bevölkerungszahlen, die Schützen profitierten davon.
Die Vereinigungen, die jetzt entstanden, wollten alte Standesunterschiede aufheben. Schützenfeste galten als das Volksfest schlechthin. In Schiefbahn pausierten die Schützen während der Franzosenzeit sechs Jahre lang. Die Anrather St. Sebastianer mussten 1864 ihr Vermögen auflösen und dem Kirchenvorstand übergeben. In Clörath kam es 1887 zur Spaltung der St. Johannes Schützengesellschaft in die Bezirke Clörath und Vennheide.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine weitere Gründungswelle der Schützenvereine. In Willich und Umgebung war es für das Schützenwesen unter belgischer Besatzung bis 1924 jedoch äußerst schwierig.
Dann kam die Nazi-Zeit: Anfang 1935 ersetzte der „Deutsche Schützenverband“ den „Deutschen Schießsportverein“; zum 1. Januar 1937 trat die Einheitssatzung in Kraft. In Neersen wurde ab 1935 kein Schützenfest mehr gefeiert, ebenso in Schiefbahn. Der letzte Königsvogelschuss in Clörath fiel 1939, in Vennheide 1938.