Kunstsammlung NRW Regionaler Schwerpunkt mit Künstler Mucha

Weniger elitär und internationaler – so stellt sich Direktorin Susanne Gaensheimer die Zukunft der Kunstsammlung NRW vor.

Chefin Kunstsammlung NRW

Foto: Kunstsammlung/Andreas Endermann

Ruhe strahlt der elegant geschwungene Bau der Kunstsammlung NRW aus. Bald 36 Jahre schon dient der zeitlose Baukörper im Herzen der Altstadt dem Bewahren und Zeigen von Kunst. Gerade ist er wieder zum Grabbeplatz hin aufgeschnitten worden, mit einem roten Schlund, der sich gut zur schwarzen Granitfassade macht. Jeder, der möchte, kann noch bis Mitte Februar in den zum „Open Space“ umgewidmeten Ort kommen, Kinder, Erwachsene, auch Besucher ohne Museums-Erfahrung, Randgruppen, Interessensgemeinschaften – sie alle finden in der zum Aktionsraum ummöblierten Grabbehalle einen Platz zum Verweilen, Zeitunglesen, Kaffeetrinken, spielen, diskutieren, drucken.

Im zweiten Ausstellungshaus, dem zum K 21 umgewidmeten Ständehaus am Schwanenspiegel, hat sich seit Dezember Gerhard Richter mit seinem „Birkenau“-Zyklus eingerichtet. Es klingt wie ein Märchen, dass der hochpreisige Maler und Wahlkölner sich spontan Düsseldorf angedient haben soll. Kurz vor seinem 90. Geburtstag im Februar wurden parallel zur Schau markige Sprüche des gebürtigen Dresdners, der mehr als 20 Jahre an der Düsseldorfer Akademie lehrte, in der „Zeit“ aufgereiht, die den Irrsinn und die Irrationalität der eigenen Branche auf den Punkt bringen. Wer also die zutiefst beeindruckende Ausstellung im K 21 besucht, sollte Richters nestbeschmutzende Schmähreden im Kopf haben.

Maler lässt an Kunsthochschulen kein gutes Haar

So hält der Malerstar die Kunstszene für ein riesiges „Theater der Armseligkeit“, „der Lüge, des Betrugs, der Verkommenheit, des Elends, der Dummheit, des Unsinns, der Frechheit“. Auch an Kunsthochschulen lässt er kein gutes Haar: „Die schauerlichste Seite des künstlerischen Elends“, so Richter, „zeigen die sogenannten Kunsthochschulen, die mit dem klangvollen Namen ,Akademie‘ die gesamte Öffentlichkeit aufs Kreuz legen.“ Unter diesem Namen würden, Studienbewerber verführt und Studierende so verbogen und verbildet, dass sie sich nur in Ausnahmefällen davon erholen könnten.

Dass trotz Corona Menschen das Angebot des „Open Space“ lieben und annehmen, freut die Direktorin Susanne Gaensheimer, der das Öffnen des Hauses in die Gesellschaft hinein ein Hauptanliegen ist. Auch die Richter-Schau dürfte ihr ins Konzept passen, gerade wegen ihrer Diskursivität. Immerhin wurde seit Entstehen des Richter-Zyklus 2014 ernsthaft diskutiert, ob man die Vernichtungslager wie Birkenau, in denen Millionen jüdische Menschen umgebracht wurden, illustrativ als Thema der Kunst akzeptieren kann. Die Diskussion um die Richter-Tiraden kommt dazu.

Gute Kunst ist immer eine Auseinandersetzung wert. Das ist ganz im Sinne von Gaensheimer, die seit September 2017 Direktorin der bedeutenden Landesgalerie ist. Die 54-Jährige wollte das Programm in der Nachfolge von Marion Ackermann internationaler setzen. Auch weniger elitär und eurozentrisch soll die Fortführung der Sammlungstä igkeit ausfallen. So hat die Kunsthistorikerin in viereinhalb Jahren Marken gesetzt. Als sie die weitgehend unbekannte Kubanerin Carmen Herrera groß ausbreitete, gab es Kritik an der Unverwechselbarkeit; aktuell begeistert Gaensheimer mit der Malerei-Ausstellung der afrikanisch-stämmigen Britin Lynette Yiadom-Boakye nicht alle Besucher, die lieber weiter die sogenannte Hochblüte der Klassischen Moderne – wie sie in Düsseldorf seit Schmalenbach gelernt wurde – sehen wollen, oder die Stars der Nachkriegsmoderne. An der von Karl-Uwe Knausgard kuratierten Edvard-Munch-Ausstellung wurde bemängelt, dass das berühmte „Schrei“-Bild fehlte, an der aktuellen Georges-Braque-Ausstellung gibt es nichts zu kritisieren. Die Gegenwartskunst fand in der umfassenden Isa-Genzken-Schau zweifellos einen Höhepunkt, aktuell wird Marcel Odenbach als weltumgreifender Superkünstler vorgestellt.

Gaensheimer ist erfahren und gefragt als Jury-Teilnehmerin des Turner-Preises und Kuratorin, sie gewann im Jahr 2011 den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig. So überrascht die Internationalität und Breite des aktuellen Jahresprogramms kaum. Für die globale Öffnung der Kunstsammlung bemüht sie die hierzulande weitgehend unbekannte Lygia Pape aus Brasilien. Als regionalen Schwerpunkt hat sie den Rheinländer Reinhard Mucha eingeladen. Kristallisationspunkt zwischen Sammlung und Ausstellungsreigen und Hauptattraktion dürfte die Piet-Mondrian-Ausstellung werden, während die Geschichte der Fotografie weitergetrieben werden soll, mit afrikanischen Bildern aus der The Walther Collection.

Noch mehr Öffnung und noch jüngeres Publikum wünscht sich Gaensheimer für ihre beiden Ausstellungshäuser. Tatsächlich sollen rein analoge Gesprächsreihen (nach Corona) im K 21 dies befördern. Die Menschen brauchten wieder direkte Ansprache, sagt Susannne Gaensheimer.