„Ich kann damit leben“ Kutschaty hält Fortbestand der GroKo für nicht notwendig
Düsseldorf · Die gebeutelte SPD in NRW ist stolz darauf, dass mit Norbert Walter-Borjans nun ein Teil der neuen Doppelspitze im Bund aus ihrem Verband kommt. Der mitgliederstärkste Landesverband verspricht sich davon mehr Einfluss in Berlin. Ohnehin sieht sich die NRW-SPD als Taktgeber für die Sozialdemokraten im Bund.
Nach den SPD-Führungsquerelen fordert der nordrhein-westfälische Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty von allen Sozialdemokraten Geschlossenheit und Rückhalt für die neue Doppelspitze. „Es geht jetzt nur gemeinsam, insgesamt wieder ein geschlossenes und gutes Bild in der Sozialdemokratie abzugeben“, sagte Kutschaty der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn diese Geschlossenheit bleibt, ist man auch verhandlungsstark gegenüber der Union.“
Mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken habe die SPD jetzt Parteichefs, die ein „klares Programm“ vorgäben. „Sie haben die Rückendeckung der gesamten Parteibasis und gute Wahlergebnisse gehabt“, betonte Kutschaty. „Sie machen ihre Arbeit gut.“ Walter-Borjans war bis 2017 NRW-Finanzminister und zusammen mit Esken vom NRW-Landesvorstand ins Rennen für den Bundesvorsitz geschickt worden.
Kutschaty unterstützte die jüngsten Vorstöße der neuen SPD-Doppelspitze. Der Vorschlag einer Steuer für Grundeigentümer bei starken Wertsteigerungen sei „völlig richtig und schon auf dem Bundesparteitag einstimmig beschlossen worden“, betonte er. „Warum soll die öffentliche Hand nicht davon profitieren, wenn ein Acker mit einem Quadratmeterpreis von 5 Euro zu Bauland mit Quadratmeterpreis zu 500 Euro wird?“ Die Kommunen hätten ja auch Kosten, wenn neue Wohngebiete entstehen, weil sie Schulen, Kitas und Straßen bauen müssten.
Kutschaty sieht die inzwischen nach links gerückte NRW-SPD bei vielen bundespolitischen Initiativen als Vorreiter. So habe der Landesparteitag schon im September eine Bodenwertsteuer gefordert. Auch die Forderung nach einem Tempolimit sei schon lange Parteitagsbeschluss. „Es ist eine Sache der Vernunft, das jetzt auf den Weg zu bringen“, sagte er.
Kutschaty ist ein Kritiker der großen Koalition und eine gewichtige Stimme im mitgliederstärksten SPD-Landesverband. Der ehemalige Justizminister unterstützt auch einen höheren Rentenbeitrag für Wohlhabende: „Ich halte es nicht für schlimm, wenn jemand, der hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen hat, daraus einen stärkeren solidarischen Anteil zur Finanzierung des Rentensystems erbringt.“ Damit seien aber nicht kleine oder mittlere Anleger gemeint. „Wir sprechen davon, wenn es in die Millionen geht.“
Noch in diesem Jahr forderte Kutschaty eine Entscheidung für eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns. Dafür müsse sich die Union bewegen. „Man muss sich schnellstmöglich in den Bereich von 12 Euro bewegen“. Wenn es nachher „11,90 Euro oder 12,05 Euro“ seien, sollte es daran nicht scheitern, sagte er. „Die Marke ist aber 12 Euro.“
Den Fortbestand der großen Koalition in Berlin bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 hält Kutschaty nicht für zwingend notwendig. „Wenn die GroKo früher enden sollte, wäre ich nicht traurig. Ich kann damit leben“, sagte er. „Der Ball liegt jetzt bei der Union, ob sie weitermachen will oder nicht.“
Für die Kommunalwahlen in NRW Mitte September sieht Kutschaty die SPD trotz zuletzt schlechter Umfragewerte gut aufgestellt. „Die letzten Monate haben gezeigt, dass wir bei Nachwahlen reihenweise Rathäuser gewonnen haben in NRW.“ Gerade bei Kommunalwahlen hänge es sehr von den Persönlichkeiten ab, die vor Ort kandidieren. Er sei optimistisch, dass die SPD auch ihre Hochburgen Gelsenkirchen und Dortmund halten könne, wo die überregional bekannten Oberbürgermeister Frank Baranowski und Ullrich Sierau nicht wieder antreten. „Und wir haben das Ziel, Rathäuser wie in Essen zurückzuerobern.“
Dass die erstarkten Grünen die SPD in Umfragen überholt haben, beunruhigt Kutschaty nicht. „Die Grünen bemühen sich gerade krampfhaft, zur Volkspartei zu werden, indem sie auch andere Themen besetzen“, sagte er. Da fehlt es an Kompetenz und Glaubwürdigkeit.“ Wenn es um die soziale Gerechtigkeit gehe, habe die SPD „mit Abstand noch die höchsten Kompetenzwerte“.
Nach einer WDR-Umfrage vom November liegt die SPD in NRW in der Wählergunst hinter CDU und Grünen und käme nur noch auf etwa 20 Prozent. SPD und Grüne in NRW waren 2017 abgewählt worden.