Ausblick Medikamente gegen Covid-19: So geht es weiter

Berlin · Die Forschung nach Medikamenten gegen das Coronavirus läuft auf Hochtouren. Ein spezifisches Mittel ist noch nicht gefunden, Experten legen ihre Hoffnung auf verschiedene Präparate.

Das bisher bekannte Mittel ist inzwischen überholt.

Foto: dpa/Dirk Waem

Neben den nachweislich sehr wirksamen Impfstoffen arbeiten Pharmaunternehmen weltweit an der Entwicklung von Medikamenten gegen eine Covid-19-Erkrankung. Arzneimittel gegen schwere Verläufe gelten als weiterer Baustein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Damit könnten zum Beispiel auch Menschen geschützt werden, die bisher keine Impfung erhalten haben oder konnten.

Spezifisches Medikament fehlt weiter

Ein für alle Patienten zugelassenes Mittel, das speziell das Coronavirus bekämpft, fehlt weiterhin. Ärzte greifen stattdessen zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf einer Covid-19-Erkrankung bei bestimmten Komplikationen schützen. Oft bekommen Patienten im Krankenhaus etwa Blutverdünner - denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfällen. Zudem sollen Antibiotika gegen zusätzlich auftretende bakterielle Infektionen schützen. Doch konkret gegen Sars-CoV-2 sind diese wirkungslos.

Die Schwierigkeit bestehe in der Biologie des Virus, schreibt der Berliner Molekularbiologe Emanuel Wyler in einem Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“. Bei Corona gebe es nach einer Ansteckung zunächst keine Symptome. „Wenn dann unter anderem Husten oder Halsschmerzen einsetzen, hat das Immunsystem in den meisten Fällen schon begonnen, das Virus zu bekämpfen“, so der Forscher vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. „Wie bei der Grippe kommen direkt gegen das Virus gerichtete Medikamente daher oft zu spät.“

Einziges zugelassenes Mittel: Remdesivir mittlerweile überholt

Als bisher einziges Mittel erhält Remdesivir (Handelsname Veklury) des US-Konzerns Gilead im Juli 2020 eine Zulassung in der EU - aber nur für Corona-Patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlich Sauerstoff erhalten, aber noch keine invasive Beatmung benötigen. Das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Medikament soll verhindern, dass sich Sars-CoV-2 in den Zellen vermehrt. Doch mittlerweile spricht sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen eine Behandlung aus.

Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen sieht in seiner Stellungnahme von Mitte September nur einen geringen Nutzen von Remdesivir bei moderat und gar keinen bei schwerer Erkrankten. Auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sagt Ende September im NDR-Corona-Podcast: Zunächst seien in Remdesivir große Hoffnungen gesetzt worden, mittlerweile sei das anders.

Dexamethason soll Immunreaktion unterdrücken

Dexamethason wird in Deutschland schon länger auch ohne generelle offizielle EU-Zulassung als Arznei gegen Covid bei der stationären Corona-Therapie eingesetzt. Seit Jahrzehnten werden damit etwa Autoimmunerkrankungen behandelt. Molekularbiologe Wyler nennt es ein „zentrales Medikament für die Behandlung von Covid-19“.

Das entzündungshemmende und kortisonhaltige Mittel soll bei Corona-Patienten auf der Intensivstation eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist der größte Nutzen bei invasiv beatmeten Patienten nachgewiesen. Dort könne die Sterblichkeit etwas gesenkt werden. Bei Menschen mit weniger schwerer Covid-Erkrankung hingegen könnte ein Einsatz „sogar nachteilig sein“, so das RKI. Bei Immunsystem-Dämpfern können Bakterien- und Pilzinfektionen auftreten.

Hoffnung liegt auf Antikörper-Präparaten

Acht Medikamente zur Covid-Therapie befinden sich bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA auf verschiedenen Stufen im Zulassungsverfahren - darunter Antikörper-Präparate, die in Deutschland auch schon bei mildem Krankheitsverlauf im Einsatz sind.

In speziellen Fällen eingesetzt wird etwa bereits eine Kombination der monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab (Handelsname Regn-CoV2) von Regeneron und Roche. Dieser Cocktail ist das erste Medikament, das die WHO zur Vorbeugung gegen schwere Verläufe bei Patienten mit milden Symptomen aber mit Risikofaktoren empfiehlt.

Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt und sollen beispielsweise das Virus außer Gefecht setzen oder auch das in einigen Fällen überschießende Immunsystem der Patienten bremsen. Vorbild können Antikörper aus dem Blutplasma vormaliger Corona-Patienten sein, die genesen sind. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und an das Virus oder auch an eine Zelle bei einem fest definierten Ziel andocken.

Weitere vier derzeit untersuchte Medikamente dieser Gruppe, die recht teuer sind, sind die Kombination aus Bamlanivimab und Etesevimab von Eli Lilly, Regdanvimab (Regkirona) von Celltrion, Sotrovimab von GSK/Vir Biotechnology und Tocilizumab (Roactemra) von Roche.

Charité-Chefvirologe Drosten erläutert im NDR, dass eine Verabreichung monoklonaler Antikörper „fast immer schon zu spät“ sei - nämlich dann, wenn sich das Virus im Körper bereits stark vermehrt habe. Bei einem durchschnittlichen Patienten sei das im Wesentlichen schon zum Zeitpunkt des Symptombeginns der Fall.

Weitere Mittel stehen in den Startlöchern

Auch in jüngsten Tests mit dem Antikörper-Cocktail AZD7442 (anderer Name: Evusheld) von Astrazeneca zeigte sich in einer klinischen Studie: Das Risiko, symptomatisch an Covid-19 zu erkranken, konnte mit der Kombination um 77 Prozent verringert werden. Am 14. Oktober begann die EMA mit einem Prüfverfahren zur Zulassung. Daneben untersucht die EMA noch die Immunsystem unterdrückenden Wirkstoffe Anakinra (Handelsname Kineret) und Baricitinib (Olumiant), die beide auch schon für andere Krankheiten wie etwa rheumatoide Arthritis zugelassen sind.

Jüngst macht die ursprünglich gegen die Grippe entwickelte Pille Molnupiravir des US-Konzerns Merck Schlagzeilen, die ähnlich wie Remdesivir die Ausbreitung des Coronavirus in den Körperzellen verringern soll. Einer klinischen Studie zufolge reduziert sie die Wahrscheinlichkeit sehr schwerer Verläufe. Im Vergleich zur Placebo-Gruppe mussten demnach nur halb so viele Patienten mit milden bis moderaten Symptomen, die das Medikament erhielten, innerhalb von 29 Tagen ins Krankenhaus oder starben. Merck wollte schnellstmöglich weltweit Zulassungsanträge stellen.

Kein Nutzen von Ivermectin und Hydroxychloroquin nachgewiesen

Umstritten ist der Einsatz des Anti-Wurmmittels Ivermectin. Nach Berichten über angebliche Erfolge bei der Covid-Behandlung wurden in manchen Staaten die Regale leer gekauft - doch zeigt jüngst eine übergreifende Analyse von mehr als einem Dutzend klinischen Studien keinerlei Hinweis auf eine Wirksamkeit. Das RKI warnt vielmehr vor heftigen Nebenwirkungen und empfiehlt einen Einsatz „nur im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien“. Auch die Malaria-Medikamente Hydroxychloroquin und Chloroquin stellten sich als wirkungslos heraus. Auch hier rät das RKI von einer Verwendung außerhalb von kontrollierten Studien ab.

(dpa)