Muh, Mäh oder Täterätätä — die Orgel kann alles
Martin Scholz baut in seiner Werkstatt in Hardt „Königinnen der Instrumente“.
Mönchengladbach. Wahrscheinlich wird das Lied selten in der Kirche auf einer Orgel gespielt. „Eine Muh, eine Mäh, eine Tätärätäta“ ist weniger eines der christlich besinnlichen als eher der schmissigen Sorte an Weihnachtsliedern. „Wobei die Orgel kein Problem damit hätte“, sagt Martin Scholz, Orgelbauer, der seine Werkstatt in Hardt an der Tomphecke hat. „Ihre Klangvielfalt ist groß genug.“
Seit 19 Jahren ist er Inhaber des Betriebes mit inzwischen sieben Mitarbeitern. Der Chef selbst ist für Entwürfe und Intonation der Instrumente zuständig. Daher weiß er ganz genau, aus welchem Register der Orgel man welche Klangfarbe bekommt.
Als Königin der Instrumente gilt sie, weil ein einzelner Spieler keinem anderen so eine Klangfülle und -vielfalt entlocken kann. In Kirchen wird sie verwendet, weil ihre Töne die Zuhörer wahrhaft in himmlische Gefilde entrücken können.
„Die ,Tätärätätä’ ist ganz einfach“, sagt Scholz, nimmt einen langen Metallkegel, wie er im Trompetenregister zum Einsatz kommt, und bläst mit dem Mund Luft hinein, wie es beim Orgelspielen durch den Wind des Blasebalgs geschähe. „Trä“, klingt es aus der Pfeife. So ein Trompetenregister hat er neben 19 weiteren Registern in diesem Jahr in die Orgel der Marienkirche in Viersen-Hamm eingebaut.
Am schmalen Anfang der Pfeife gibt es ein kleines Messingblättchen, das durch den Wind in Schwingungen versetzt wird und den Ton erzeugt. Darauf sitzt eine kleine Metallkrücke, mit deren Hilfe die exakte Höhe des Tones eingestellt wird. „Das ist dann die letzte Aufgabe beim Aufbau der Orgel, oder später, wenn die Orgel einmal im Jahr nachgestimmt werden muss“, sagt er.
„Auch ,die Mäh’ würde ich aus einer Metallpfeife mit einem Zungenregister holen“, überlegt Scholz, der aus einer Musikerfamilie stammt. Sein Bruder ist Solofagottist in Düsseldorf und sein Vater war Organist. Ein „Muh“ könnte er einer Holzpfeife entlocken. „Für die Orgel in St. Michael Holt hatten wir eine acht Meter lange hier stehen“, erinnert er sich an ein anderes Projekt aus 2011. Sie ergibt Töne, so tief, dass man sie nicht nur hört, sondern als Vibrieren in der Magengegend wahrnimmt. „Diese Orgel ist auf weiche romantische Klänge ausgerichtet“, sagt er.
Nach Scholz’ Überzeugung müssen für die Reinheit des Klanges auch der Rahmen, das Gehäuse und die Tastatur der Orgel mit besonderer Sorgfalt gefertigt werden. „Das alles schwingt mit, wenn die Orgel gespielt wird.“ So hat die neue kleine Truhenorgel, die er für St. Katharina in Willich gefertigt hat, Rahmen und Gehäuse aus Eiche, die Eckverbindungen sind gezapft und geschlitzt, die hellen Tasten sind aus Birne, die dunklen aus Ebenholz.
Ein Traditionsbewusstsein, das zwischenzeitlich infrage gestellt wurde. „Die Orgel ist das größte aller Instrumente, da kann man viel weglassen oder billiger machen“, skizziert er die Überlegungen von Sparfüchsen. Immerhin investieren Kirchengemeinden in große Orgeln sechsstellige Beträge. Als Gegenargument dient ihm die Geige: „Bei der würde auch niemand am Holz sparen.“ Gute Geigen liegen in der gleichen Preisklasse wie Orgeln. „Es war Stradivaris Erfolgsgeheimnis, zu wissen, aus welcher Stelle eines Stammes er das perfekte Instrument bauen konnte.“