Verkehr und Mobilität So gefragt ist das Deutschlandticket in Remscheid

Remscheid · Nach der Einführung vor sieben Monaten haben die Stadtwerke so viele Abo-Kunden wie nie zuvor.

Das Deutschlandticket gibt es auch im Chipkartenformat – viele nutzen es aber per App.

Das Deutschlandticket gibt es auch im Chipkartenformat – viele nutzen es aber per App.

Foto: dpa-tmn/Boris Roessler

Zehn Millionen Bundesbürger nutzen das Deutschlandticket. Auch in Remscheid ist das attraktive ÖPNV-Angebot durchgestartet. In den ersten sieben Monaten seit der Einführung im Mai 2023 verkauften die Stadtwerke 90 906 Deutschlandtickets. Für monatlich 49 Euro können alle öffentlichen Nahverkehrsmittel bundesweit von Bahn-Regionalverkehr (2. Klasse – kein ICE), Bussen, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen genutzt werden.

Im April 2023 hatten die Stadtwerke 14 217 Monatskarten/Abos, im November waren es 17 797. Monatlich waren dies 500 Neukunden mehr. Stefan Bruns, Leiter Vertrieb und Kundenservice, spricht von einer „deutlichen Steigerung der Abonnenten-Zahlen“. Eine derart hohe Zahl an Vertragskunden hatten die Stadtwerke noch nie. An der Schraube wird weiter gedreht, die Trommel gerührt.

Im ersten Quartal wollen die Stadtwerke alle Remscheider Unternehmen gezielt anschreiben. Aktuell zählen die Stadtwerke 15 Deutschlandticket-Job-Verträge mit 400 Abos. „Da sehen wir viel Potenzial“, ist Bruns zuversichtlich. Denn für Firmen lässt sich das Deutschlandticket Job mittlerweile einfach abwickeln. Im Gegensatz zum früheren Job-Ticket entfallen Mindestbestellmengen oder Abnahmequoten.

Der bürokratische Aufwand für den Arbeitgeber ist niedrig, er muss das Ticket nur mit mindestens 25 Prozent bezuschussen. Der Mitarbeiter zahlt für den ÖPNV 34,30 Euro im Monat, wenn Arbeitgeber 12,25 Euro von den 49 zahlen und die Stadtwerke obendrauf 2,45 Euro Nachlass gewähren.

Die kurzen Kündigungsfristen sind für Kunden ein weiteres Argument, zuzugreifen. Monatlicher Ausstieg aus dem Abo ist jederzeit möglich. Als Kündigungs-Stichtag gilt der 10. zum Ende des jeweiligen Monats. „Bei uns wird das großzügig gehandhabt. Wer etwas später mit der Kündigung kommt, muss nicht einen weiteren Monat warten“, meint Stefan Bruns.

Neben dem Neubau des Busbahnhofs am Friedrich-Ebert-Platz war das von Bund und Land subventionierte Günstig-Angebot das prägende Projekt der Verkehrsbetriebe in 2023. Die Einführung des Deutschlandtickets erfolgte in Schritten: Zunächst galten sie für Jedermann- und Job-Kunden, im August wurden alle Schoko-Tickets (Selbstzahler und Anspruchsberechtigte) erfolgreich auf das Deutschlandticket Schule umgestellt, das insgesamt 27 105 junge Nutzer zählt. Bis zum 1. Dezember folgte die Integration des Sozialtickets (Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Asylbewerber).

Eine Preisanpassung wird
es wohl im Mai geben

Die Zukunft des Erfolgsmodells ist jedoch ungewiss. Stefan Bruns geht davon aus, dass es nach einem Jahr eine Preisanpassung geben wird. In welcher Höhe, ist offen. „Selbst fünf bis zehn Euro mehr monatlich wären bei der Leistung angemessen.“ Sollte das Deutschlandticket fortgesetzt werden, wären Bund und Land in der Pflicht.

Stefan Bruns bewertet das Ticket aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: „Als Stadtwerke sind wir auf Ausgleichszahlungen angewiesen, damit es sich für uns rechnet. Volkswirtschaftlich macht es aber in jedem Fall Sinn, wenn man den Klima- und Umweltgedanken berücksichtigt.“

Professorin Dr. Ulrike Reutter, Leiterin Öffentliche Verkehrssysteme und Mobilitätsmanagement an der Bergischen Uni, schätzt das Deutschlandticket. „Es ist das erste Mal, dass Kunden bequem in ganz Deutschland den ÖPNV nutzen können, ohne über Tarife, Verbünde, Übergänge, Automatennutzungen und die Gefahr des Schwarzfahrens nachdenken zu müssen. Eine große Hürde für die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs ist damit genommen. Für Kunden ist das Ticket nicht nur von den geringen Kosten ein Riesenvorteil.“

Zum ÖPNV der Zukunft gehöre aber auch, ein verlässliches Angebot mit den entsprechenden Verbindungen und Taktungen zu schaffen, gerade mit Blick auf den oft unterversorgten ländlichen Raum. Ulrike Reutter findet richtig, dass erst an der Preisschraube gedreht wurde. „Es gibt Kritiker, die sagen, wir müssen das Angebot verbessern, dann die Tarife attraktiv gestalten. Dies ist das falsche Argument. So hätten wir weiterhin Stillstand.“

Wie Stefan Bruns sieht die Uni-Professorin in der Verkehrswende einen Baustein für besseren Klimaschutz und zudem einen Beitrag, die Lebens- und Aufenthaltsqualität in den Städten zu steigern.

Bleibt das Deutschlandticket, werden andere Abos im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) eingestellt. „Die Konzentration auf das Deutschlandticket wird zu einer Bereinigung des VRR-Sortiments führen“, deutet Stefan Bruns an. Nach den jüngsten Preissteigerungen liegen selbst das „Ticket 1000 ab 9 Uhr“ und das übertragbare „Ticket 2000 ab 9 Uhr“ jenseits der 49 Euro.

Was im Verbund Rhein-Ruhr bleibt, wird demnächst auf einer Klausurtagung festgelegt. Eine Bereinigung, so vermutet Bruns, würde dann nicht vor dem 1. Januar 2025 greifen.