Josef Karis: „Runter mit den Hebesätzen“
Seit 2005 führt Josef Karis die Zentrumspartei in Kaarst an. Die WZ sprach mit ihm über Ikea, Geld und Biogas.
Kaarst. Ein neues Jahr hat begonnen. Vieles ist geschafft, anderes wird aufgeschoben. In einer Interview-Serie blickt die WZ auf Themen zurück, die im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt haben, und befragt die Fraktionsvorsitzenden zu ihrem Ausblick auf 2013. Wir trafen den Fraktionschef der Zentrumspartei, Josef Karis, in seinem Büro in Holzbüttgen.
WZ: Herr Karis, an Ihrer Wand hängt ein Plakat „Der Nordkanal — die ganze Wahrheit“. Was hat es damit auf sich?
Karis: Das war eine Plakataktion, die wir vor 15 Jahren initiiert haben. Viele umweltschädliche und giftige Stoffe lagern unter dem Schlamm im Nordkanal. Wir haben private Messungen in Auftrag gegeben, auch die Stadt hat 30 bis 40 Analysen durchführen lassen. Der Mist liegt unter dem Schlamm. Ich will den Sondermüll da weg haben. Die Stadt hätte im vergangenen Jahr längst einen Muster-Umsetzungsfahrplan für lebendige Gewässer bei der Bezirksregierung einreichen müssen. Doch der Bürgermeister macht nichts. Bei der Umsetzung der Rahmenrichtlinien gibt es Fristen, die einzuhalten sind. 2017 muss das giftige Zeug da raus sein.
WZ: Die Stadt hat 2012 weniger Einnahmen als erwartet bei der Gewerbesteuer gemacht. . .
Karis: 7 Millionen Euro zu kompensieren, ist ja schon ein Hammer. Mit Ikea und dem Gewerbegebiet müssen wir ein Zeichen setzen. Für kleine Firmen brauchen wir einen Gewerbehof. Kaarst hat die dritthöchsten Hebesätze in Nordrhein-Westfalen. Aber Fehler muss man ja nicht noch verstärken. Senkt die Hebesätze! Monheim macht es richtig: Sind die Hebesätze niedrig, nimmt die Stadt mehr ein.
WZ: Ikea hat der Stadt ein Vertragsangebot für die Umsiedlung gemacht. Liegt der Umzug im Zeitplan?
Karis: Im Zeitplan? Wir hängen 30 Jahre hinterher. Oppenheim wollte das Areal schon 1969 erschließen. Ich hätte für die Schließung der Gümpgesbrücke die 18 Millionen Euro vom Land kassiert. Ob wir jetzt überhaupt noch Zuschüsse kriegen, ist fraglich. Aber auch ohne Zuschuss rechnet sich die Kiste noch. Dann sind aber 30 Millionen Euro für die Kitas nicht zu finanzieren.
WZ: Wird der Gewerbepark erfolgreich?
Karis: Ich denke schon. Ikea ist der Magnet, die werden auch Steuern zahlen.
WZ: Haben Sie schon mal etwas bei Ikea gekauft?
Karis: Ja, eine Küche für meinen Sohn.
WZ: Wie ist die Stimmung in Holzbüttgen?
Karis: Wenn die Leute sehen, dass sie mit der neuen Straße schneller in Holzbüttgen sind, dann finden sie das auch gut. Wir müssen die Straße im nächsten Jahr bauen. Sorgen mache ich mir um das immer noch leerstehende TSK-Sportzentrum am Bruchweg. Es gibt zwar eine Veränderungssperre, aber der Betreiber des Kölner Bordells Pascha will immer noch kaufen. Das ist noch lange nicht vom Tisch.
WZ: Wenn Sie 2013 einen Wunsch für Holzbüttgen frei hätten, welcher wäre das?
Karis: Unser Grüngürtel muss noch schöner werden. Der Platz von Rakete 05 Holzbüttgen sollte kein Kunstrasenplatz werden, sondern Ascheplatz bleiben, damit weiter alle Kinder dort spielen können.
WZ: Wird das Feuerwehrgerätehaus in Büttgen 2013 gebaut?
Karis: Ja, die Wache muss gebaut werden. Die Preisvorgabe sollte nicht höher als 1,5 Millionen Euro sein.
WZ: Die Stadt spricht derzeit mit den Investoren über einen neuen Supermarkt in Büttgen. Wie wird es ausgehen?
Karis: Büttgen ist seit 200 Jahren ein geteilter Ortsteil. Die Versorgung muss auf beiden Seiten gewährleistet sein. Bei der kleineren Version am Berliner Platz ist ja eine Einigung eher in Sicht. Die Büttger sollen das selbst entscheiden. Hauptsache, die Kastanien werden nicht gefällt. In den vergangenen Jahren sind im Stadtgebiet 400 Bäume verschwunden. Wo sind die Grünen? Bin ich der Grüne?
WZ: Zu einer anderen Investition: Sie sind mit einer Tierklinik aus der Schweiz in Kontakt?
Karis: Ja, die Klinik hat Interesse am Standort Kaarst. Die benötigen etwa 18 000 Quadratmeter Fläche, da die Klinik auch Transplantationen durchführt und große Freilaufflächen braucht. Auf der Grenze zum Gewerbepark kann ich mir das gut vorstellen. Das Gelände am alten Klärwerk könnte man so aufwerten.
WZ: Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf Kaarst?
Karis: Senioren, Senioren, Senioren. Ich habe ja auch nichts dagegen. Aber Kaarst wird überaltern, da muss man etwas tun. Das Heiligenviertel in Büttgen wird bald die jüngste Ecke im Stadtgebiet sein. Kaarst muss familienfreundlicher werden. Ich befürworte ein Begrüßungsgeld von 500 Euro, und Kindergartenbeiträge sollten abgeschafft werden.
WZ: Welche Rolle spielt das Sportlerheim in Vorst in Ihren Haushaltsberatungen?
Karis: Wir jammern auf hohem Niveau. Die Vorster haben zuerst einen Zuschuss von 70 000 Euro gefordert, jetzt sind es 1,5 Millionen Euro. Da muss man Abstriche machen, die Driescher können auf ihrem Kirmesplatz auch kein Riesenrad aufstellen. Das Geld für Vorst ist nicht da, ich bin eh kein Befürworter eines Rasenplatzes. Die Stadtverwaltung reißt viel an sich, und am Ende kommen da 1,5 Millionen Euro an Kosten raus. Wenn nichts da ist, muss man sparen.
WZ: Seit fast acht Jahren setzen Sie sich für den Bau einer Biogasanlage ein. Wird das noch was?
Karis: Ich hoffe ja. Eine solche Anlage könnte überall stehen. Man kann die Abfallwärme nutzen, das wäre ein Hammer für die Stadt.
WZ: Im vergangenen Jahr gab es beim Zentrum auf Kreisebene reichlich Streit und Querelen. Wie steht die Partei in Kaarst da?
Karis: Unterschiedliche Meinungen dienen der Demokratie. Nur streiten darf man sich nicht. Ich habe es in Kaarst einfacher, Fraktionszwang ist für mich kein Ding. Aber wenn es gute Ideen gibt, nehme ich die auch an. Wir haben in Kaarst mehr Mitglieder als die SPD.