Nähwerkstatt in Kaarst Mit 54 Jahren den Meister gemacht
Kaarst. · Stephanie Thoma hat in Kaarst eine Nähwerkstatt eröffnet, in der sie den Teilnehmern das Handwerk näher bringt.
Stephanie Thoma betrachtet die bunten Frisbeescheiben auf ihrem großen Holztisch. „Die haben Jungen auf dem Lammertzhof-Fest selbst bemalt, dann haben wir sie gemeinsam umnäht und eine Bleischnur eingesetzt“, erzählt sie und freut sich auch Tage später noch über diese Arbeit. Der Versuch beweist: Die Scheiben fliegen tatsächlich reibungslos. Eigentlich lassen sich mit ihnen schon Stephanie Thomas wichtigste Motivationen für die Eröffnung ihrer Nähwerkstatt verdeutlichen: Mit den Händen durch eine schöne Tätigkeit selbst etwas schaffen und später ein fertiges Produkt erhalten. Das lässt sich dann anziehen oder es ist ein individualisiertes Geschenk entstanden – oder ganz einfach etwas, was man so nicht kaufen kann.
Das sind auch die Gründe, die Stephanie Thoma in jungen Jahren dazu bewogen haben, die Ausbildung zur Maßschneiderin zu machen. Anschließend war sie als Gesellin selbstständig bei Foto-, Film- und Theaterproduktionen tätig, bis sie sich entschloss, mit 54 Jahren die Meisterprüfung abzulegen. „Das war schon eine Herausforderung für mich, aber gleichzeitig bin ich dadurch wieder richtig zum Nähen gekommen“, erinnert sich die Vorsterin. Danach wagte sie einen neuen Weg und unterrichtet seit Februar 2018 im Fach Bekleidungstechnik an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache. Das weckte die Lust zu unterrichten und die Idee, eine ganz andere Form des Nähens anzubieten. Nämlich eine Werkstatt, die den Fokus auf das eigenständige Nähen der Teilnehmer unter ihrer Anleitung und Aufsicht legt.
Bei Reha-Aufenthalt kam
die Idee zur Werkstatt
Doch erst ein Reha-Aufenthalt Anfang dieses Jahres brachte die endgültige Wende: „Dort haben wir abends mit 15 Leuten gestrickt. Das war einfach schön“, sagt Stephanie Thoma und wusste: Es war schön, weil jeder am Schluss ein handgefertigtes Unikat besaß. Womit sie wieder bei den Ursprüngen ihrer Berufswahl angekommen war: „Back to the roots: Etwas Schönes für sich selbst mit den Händen schaffen“. Und am besten auch noch in Gemeinschaft ohne Zeitdruck, denn das fehle den heutigen Menschen, meint die Fachfrau. Sie weiß: Nähen hat etwas Meditatives, vor allem, wenn es mit der Hand geschieht.
So entschied sie sich, ihren Lehrauftrag in einen Teilzeitjob umzuwandeln und an zwei Wochentagen sowie am Wochenende die Nähwerkstatt anzubieten. Dabei erfuhr die Mutter zweier erwachsener Kinder große Unterstützung durch ihren Mann. Bei der Eröffnung am 17. August sprudelten nur so die Ideen der Besucher: Lieblingsstücken ein neues Leben einhauchen, Lenkdrachen nähen, Resteverwertung, Kuschel- und Kinderklamotten nähen, offener Nähtreff an regelmäßigen Terminen, Schnitttechniken für Fortgeschrittene – die vielen Karten zeugen von großer Ideenvielfalt. „Ich werde Lücken füllen, wenn einer etwas nicht kann“, verspricht Stephanie Thoma. Sie freut sich auf die Herausforderung durch Fortgeschrittene, aber auch auf Kinder. Sie werden nebenbei auch lernen, wie sie den benutzten „Arbeitsplatz“ wieder ordentlich hinterlassen.