Altweiber in Kaarst Das Rathaus ist in närrischer Hand

Kaarst · Die Möhnen haben am Altweiber-Donnerstag das Rathaus in Kaarst gestürmt und die (leere) Stadtkasse geplündert. Karnevalsprinz Raphael I. Leßmann freut sich auf die kommenden närrischen Tage. Der traditionelle Veedelszug der Matthias-Claudius-Schule wurde abgesagt.

Hat nach dem Rathaussturm das Zepter in der Hand: Prinz Raphael I. Leßmann ist mit seinen 18 Jahren der jüngste Prinz in ganz Nordrhein-Westfalen.

Foto: Wolfgang Walter

Das Kaarster Rathaus ist am Altweiber-Donnerstag für die nächsten Tage in die Hand der Närrinnen und Narren übergegangen. Die Möhnen stürmten um Punkt 11.11 Uhr die Tür zur Rathausgalerie, nahmen den Schlüssel an sich und plünderten die Stadtkasse – die Beute fiel allerdings mager aus, denn die Kassen der Stadt Kaarst sind leer.

Karnevalsprinz Raphael I. hielt eine starke Rede, moderiert wurde die Veranstaltung zur Überraschung vieler vom ehemaligen Kulturamtsleiter Dieter Güsgen. „Ich wurde noch einmal überredet“, sagte er.

Die Stadtkasse wurde in Abwesenheit von Kämmerer Stefan Meuser von Sabrina Thißen, Leiterin des Bereichs Finanzen, und Wirtschaftsförderer Felix Hemmer zwar mit Boxhandschuhen bewacht, am Ende hatten die beiden aber gegen die weibliche Übermacht keine Chance. „Ist denn überhaupt was drin?“, fragte Güsgen nach der Übernahme. Mehr als Gummibärchen fanden die Möhnen nicht. „Jetzt weiß ich auch, warum die Stadtparkbrücke noch nicht gebaut ist, das Geld ist futsch“, so Güsgen.

Bürgermeisterin Ursula Baum erkläre zur leeren Stadtkasse: „Den Schlüssel kann ich Euch wohl geben, über die Kasse müssen wir reden. Kein Cent ist drin, es ist zum Fluchen. Guckt nur rein, es hilft kein Suchen.“ Dann schlug sie eine – nicht ganz ernst gemeinte – Lösung vor: Die Erhebung einer „Helau“-Steuer. Das kam bei den rund 150 Närrinnen und Narren, die in der recht kalten Rathausgalerie mitfeierten, nicht so gut an, der Vorschlag wurde mit Buh-Rufen quittiert. Einen Seitenhieb erlaubte sich die erste Bürgerin der Stadt gegenüber denjenigen, die nicht zu dem stehen, was sie sagen: „Engagement erfordert immer ein Gesicht, wer für etwas einsteht, tut das lieber im Licht“. Dem Karnevalsprinzen wünschte sie für den Rosenmontagszug in Büttgen „30 Grad mit Sonnenschein“. Träumen dürfe ja noch erlaubt sein, schob sie hinterher. Sie lobte ihn für seine Haltung zu politischen Themen.

Prinz Raphael I. wurde wie
oft in seiner Amtszeit politisch

Raphael I. Leßmann selbst schwärmte von der bisherigen Zeit als Prinz. Die über 100 Auftritte in 90 Tagen seien zwar anstrengend gewesen, gleichzeitig aber auch eine „wunderschöne Zeit“. Was denn sein wichtigster Auftritt war, fragte Güsgen den Prinzen: „Für mich der wichtigste Auftritt war auf der tollen Demonstration in Kaarst“, sagte er. Dann wurde der Prinz wie schon bei vielen anderen Reden während seiner Amtszeit politisch. „Unsere Nation hat sich vor Jahrzehnten eine Sache gegeben: Einigkeit, Recht und Freiheit. Im ersten Artikel unserer Verfassung steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wenn aber diese Werte und unsere Demokratie angegriffen werden, indem auf einer Konferenz führende AfD-Politiker und Rechtsextreme die Deportation von Hunderttausenden Menschen planen, ist es nicht fünf vor zwölf, sondern fünf vor 33. Das darf nicht passieren“, so der Prinz. Der traditionelle Veedelszug der Matthias-Claudius-Schule vor dem Rathaussturm wurde zum Leidwesen der Schülerinnen und Schüler kurzfristig wetterbedingt abgesagt. Aber auf den Prinzen und die Bürgermeisterin mussten die Lehrer und Schüler nicht verzichten: Sie besuchten die Schule, ehe im Rathaus die erste Karnevalsparty der närrischen Tage begann.