Autos können bald Hilfe rufen
Mit dem eCall-System können Neuwagen ab 2018 Notrufe absetzen. Die Kreisleitstelle bereitet sich darauf vor.
Neuss. Ein nächtlicher Unfall, der Fahrer vielleicht nicht ansprechbar, weit und breit niemand zu sehen, der Hilfe leisten oder rufen könnte: Für Autofahrer ist das ein Horrorszenario. Doch künftig sind solche Unfallopfer nicht mehr vom Zufall abhängig, denn die Autos der Zukunft setzen selbstständig einen Notruf ab. „eCall“ (emergency call) heißt das System, das vom kommenden Jahr an in allen neuen Fahrzeugmodellen in der Europäischen Union zur Pflicht wird.
Die Leitstelle des Rhein-Kreises am Hammfelddamm in Neuss richtet sich schon jetzt darauf ein, künftig auch von Autos „angerufen“ werden zu können. „Bereits zum 1. Oktober soll die dafür erforderliche Infrastruktur in den Rettungsleitstellen in Deutschland stehen“, sagt Thomas Dilbens, Leiter der Leitstelle des Rhein-Kreises, wo derzeit die letzten Vorbereitungen für die Einführung dieser technischen Neuerung laufen.
Johannes Brester spricht von einer guten Sache. Denn die Automatik beschleunigt die Alarmierung und damit die Hilfeleistung. Allerdings gilt das nur für Neuwagen. „Das komplette System wird sicher nicht nachrüstbar sein“, sagt der Obermeister der Kfz-Innung im Rhein-Kreis mit Blick auf ein komplexes System, das Daten in der Fahrgastzelle sammelt und weitergibt. Aber auch von einem Nachrüstpaket allein für eine Notruffunktion habe er bislang nichts gehört, sagt Brester.
Das neue System wird funktionieren, ohne dass ein Handy benötigt wird. Im Auto werde eine Telefonkarte mit Ruftaste verbaut, sagt Brester. Über sie kann sich der Autofahrer mit einem Vertragspartner seines Herstellers in Verbindung setzen, wenn er mit einer Panne liegen geblieben ist. Über sie kann er aber auch mittels einer SOS-Taste einen Notruf absetzen — etwa bei einem medizinischen Notfall. Wenn er das noch kann. Sonst erledigt das im Falle eines Unfalls die Automatik, die sich auf die europaweit einheitliche Notrufnummer 112 aufschaltet. Sie wird durch sogenannte Crash-Sensoren ausgelöst, die einen schweren Unfall zum Beispiel daran erkennen, dass die Airbags auslösen.
Zentrale Voraussetzung für den eCall-Betrieb auf der Seite der Empfänger sei die Installation eines Decoders, der Anrufe als eCall erkennt und die darüber mittels eines sogenannten Minimaldatensatzes eingehenden Informationen automatisch in das Einsatzleitsystem einspeist, sagt Marco Schmidt, der eCall-Koordinator der Leitstelle.
Zu diesem Datensatz gehören exakte Standortdaten (per Satellit ermittelt), Unfallzeitpunkt, die Anzahl der angelegten Sicherheitsgurte, die auf die Zahl der Verletzten schließen lässt, und die Fahrtrichtung. Sie ist wichtig, wenn es um die Rettung von Verletzten auf einer Autobahn geht. Mit eCall hält ein weiteres Assistenz-System im Auto Einzug, das den Job eines Mechatronikers noch herausfordernder macht. „Die Fahrzeuge sind heute rollende Computer und hier sind Fachleute gefragt, die sich auskennen“, sagt Brester. Dass die Lehrzeit dreieinhalb Jahre dauert, habe seinen Grund.