Bürgermeisterwahl 2020 in Neuss Endspurt in der Kandidaten-Kür

Nordstadt. · Beim Speed-Dating im Papst-Johannes-Haus stellten sich die Bewerber den Fragen der Basis.

„Neuss verkauft sich seit Jahren unter Wert. Das will ich endlich ändern.“ Jan-Philipp Büchler

Foto: Andreas Woitschützke

Die Suche der CDU nach einem Kandidaten für die Bürgermeisterwahl hat schon einen Sieger: die Partei. Seit Juni registriert Marcel Stepanek rund 25 neue Mitglieder, davon alleine 17 im September. Das sei vor solchen Entscheidungen fast üblich, sagt der CDU-Geschäftsführer, aber noch keine Kampagne. Die Zahl sei nicht so gravierend, dass sie einen spürbaren Einfluss auf die Entscheidung am kommenden Montag haben kann. Denn zur Wahl des Spitzenkandidaten durch einen Stadtparteitag rechnen er und der Parteivorsitzende Jürgen Brautmeier mit mehr als 500 Mitgliedern in der Stadthalle.

Seit Anfang des Monats läuft der interne Wahlkampf. Auf 200 Besucher bei den vier Veranstaltungen hatte der Vorsitzende gehofft, mehr als 300 wurden registriert. Das Thema, wer der (noch) fünf Bewerber als Herausforderer Bürgermeister Reiner Breuer gegenübertritt, mobilisiert die Basis. Alleine zum Speed-Dating am Dienstagabend kamen 60 Interessierte ins Papst-Johannes-Haus. Nach drei Podiumsdiskussionen zum Kennenlernen sollte dort jeder Gelegenheit haben, seine Fragen los zu werden.

Ingrid Schäfer, die im nächsten Jahr aus dem Stadtrat ausscheiden wird, gehörte zu denen, die sich gut präpariert hatten. Sie hatte sich für jeden der fünf Bewerber – der am Montag von seiner Kandidatur zurückgetretene Frank Wolters wurde mit keiner Silbe mehr erwähnt – eine unangenehme Frage überlegt. Und sie war beeindruckt, dass und wie Jan-Philipp Büchler ihren Aufschlag parierte. „Man merkt, wer weiß, wovon er spricht“, sagte Schäfer, die das Format Speed-Dating einen Versuch wert fand. „Prickelnd, die Unterschiede zu erleben.“

Einige Fragesteller hatten
sich viel vorgenommen

Manche hatten sich für die erste Gelegenheit zur direkten Konfrontation offenbar etwas vorgenommen. Der Stadtverordnete Sebastian Rosen, der einzige Mandatsträger im Bewerber-Quintett, bekam das deutlich zu spüren. Seine Replik auf die Frage von Axel Stucke, warum er – obwohl er doch schon vor Monaten und als erster seine Bewerbung öffentlich gemacht hatte – zur Arbeit an dem Kommunalwahlprogramm bislang nichts beizusteuern wusste, war eher dünn. Und die Antwort auf die Frage von Dagmar Betz nach Erfolgen in 20 Jahren Ratszugehörigkeit zumindest denkwürdig, heftete er sich doch auch die Rettung des Nordbades an seine Fahnen.

Mit anderen Bewerbern gingen die Fragesteller, an deren Tisch die Kandidaten nacheinander und für jeweils handgestoppte zwölf Minuten Platz nahmen, deutlich gnädiger um. Darunter Markus Kuhl, der zwar mit seiner Idee einer breiten Bürgerbeteiligung in „kleinen Planungszellen“ auf Interesse stieß, sich aber etwas vergaloppierte, als er zur Lösung der Verkehrsprobleme im Neusser Süden einen Autobahnanschluss Rosellerheide ins Gespräch brachte. Den Hinweis, über die Anschlussstelle Delrath werde seit Jahrzehnten diskutiert, tat er schnell ab: „Ich glaube, dass man das schneller kann.“ Kopfschütteln am Tisch – aber kein Gegenwind.

Zustimmendes Nicken war noch am ehesten in den Tischrunden auszumachen, wo Jan-Philipp Büchler, der Wunschkandidat des Vorsitzenden, gefordert wurde. Die Stadt nicht länger schwach reden, das Vertrauen in die Verwaltung wiederherstellen, die Wirtschaft stärken. Diese und andere Ideen bündelte er zu einem Paket für den Start als Bürgermeister, auf das er das Etikett klebte: „Die Bürger müssen schnell merken, dass sich etwas ändert und der Stillstand endlich überwunden wird.“

So hemdsärmelig präsentierte sich Ruth Sternemann-Böcking nicht. Sie blieb auch im vierten Treffen inhaltlich indifferent, warf aber ihre Stärken als Teamplayer in die Waagschale. „Sie glauben gar nicht, was man auch in verfahrenen Situationen und mit zerstrittenen Parteien alles erreichen kann“, sagte die Familienanwältin, die im Falle ihrer Wahl den Schulterschluss von Rat und Politik anstrebt: „Da kocht jeder sein eigenes Süppchen.“

Bärbel Kohler unterstrich mehr als einmal, dass sie Aufgaben und Probleme pragmatisch angeht. Gewerbegebiete die da sind, müssten besser ausgenutzt und nicht auf noch nicht beschlossene Flächennutzungspläne geschielt werden. Sie zeigte sich auch offen zur Kooperationen in der Kreis-Gemeinschaft. „Die Zeit der Kirchturmspolitik ist vorbei.“