„Jetzt wollen wir auch Baukräne sehen“
Bürgermeister Reiner Breuer spricht über den Wirtschaftsstandort Neuss und eine mögliche Verlegung des Kirmesplatzes.
Neuss. Herr Bürgermeister, rennen Neuss die Firmen weg? UPS und Brata waren es übers Jahr, jetzt sind es Goodrich und Lease Plan. Was läuft da falsch?
Reiner Breuer: Ich warne davor, eine Situation zu dramatisieren, die in Wahrheit das Ergebnis einer normalen Fluktuation ist. UPS ist nicht weg und bleibt mit über 1000 Beschäftigten in Neuss. Auch Brata bleibt in Neuss-Weckhoven, erweitert womöglich an anderer Stelle. Jeder Fall ist individuell zu betrachten und den Goodrich-Wegzug werden wir nicht einfach nur hinnehmen. Lassen Sie uns auch über die großen Erfolge unserer Wirtschaftsförderung sprechen. Creditreform bleibt, da wir mit dem früheren Turmgrundstück an der Stresemannallee über das richtige Angebot verfügen. Dort wird eine städtebaulich interessante Eingangssituation entstehen. Und Haribo hat die Grundsatzentscheidung getroffen, dass ein neues Werk in Holzheim gebaut wird. Wir sind nicht untätig. Im Gegenteil! Wir sind erfolgreich!
Wenn Haribo seine Hand auf das komplette Kreitzer-Straße-Areal legt, dann bleibt für weitere An-oder Umsiedlung kein Quadratmeter über...
Breuer: Ja, das stimmt und die Nachfrage für den Standort Neuss ist unverändert groß. Die Fläche an der Kreitzer Straße hätten wir gleich viermal verkaufen können. Nun müssen wir sehen, welche Flächen Haribo/Maoam an der Jülicher Landstraße auf Dauer für andere Interessenten frei macht, wenn der Betrieb nach Holzheim wechselt.
Der Regionalplan wird bald Bestandskraft erhalten. Bringt er für Neuss Entspannung bei ausgewiesenen Gewerbegebieten?
Breuer: Wir erhalten zusätzliche Flächen. Das ist wichtig. Gut, dass an der Dieselstraße in Derikum neue Gewerbeansiedlung möglich wird. Ebenso am Silbersee, wo wir ja eine interkommunale Entwicklung gemeinsam mit der Stadt Dormagen anstreben. Das ist ein gutes Projekt und wird uns auf Dauer helfen, wenn die Erschließung über die Autobahnanschlussstelle Delrath gelingt.
Das neue Ikea-Möbelhaus ist nahe an die Neusser Stadtgrenze gerückt. Kann Neuss davon profitieren?
Breuer: Das Gebiet westlich der Autobahn, also rund um Ikea, schreit förmlich nach einer Entwicklung, die wir gemeinsam mit der Stadt Kaarst vorantreiben sollten. Wir lassen uns von einem Gutachter beraten. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Areal in der ersten Veränderung des Regionalplanes versuchen werden, eintragen zu lassen. Das gilt auch für ein weiteres Gewerbegebiet in Allerheiligen.
Wie fürs Gewerbe, so werden auch fürs Wohnen Flächen gesucht. Es wird viel über Baugebiete geredet, aber wann wird gebaut?
Breuer: Wir sind am Ende der Vorbereitungsphase. Da läuft derzeit sehr, sehr viel. Aber es ist richtig, jetzt wollen wir auch Baukräne sehen. Wir haben große Projekte am Start, die in einer schwierigen Situation erfolgreich sein sollen: Bei hohem Preisniveau muss bezahlbarer Wohnraum entstehen und es soll auch Eigentum geschaffen werden.
Wann geht es eigentlich im Hammfeld II weiter? Vom Möbelhaus Sconto und dem Fahrradhaus Stadler ist noch nichts zu sehen.
Breuer: Da soll es im neuen Jahr losgehen und Investor Kurt Krieger scharrt auch mit den Füßen. Er will Sconto errichten. Stadler braucht noch etwas Zeit. Vielleicht ist es richtig, wenn wir dort mit zwei Geschwindigkeiten entwickeln.
Was wird aus der Restfläche?
Breuer: Ich neige dazu, der Hammfeld-II-Restfläche auch das TÜV-Gelände zu zuschlagen, um in größeren Einheiten denken zu können. Schnell stellt sich dann die Frage: Wofür brauchen wir die Langemarckstraße eigentlich? Wie binden wir die Galopprennbahn als grüne Lunge ein, wie den Wendersplatz? Mir schwebt kein Investoren-Wettbewerb vor, sondern ein städtebaulicher Wettbewerb, der eine Initialzündung für diesen Bereich gibt.
Da machen Sie ein großes Fass auf. Was wird aus der Kirmes? Wo bleibt die Schützenwiese? Wo soll die Multifunktionshalle hin ?
Breuer: Natürlich werden die Interessen der Schützen gewahrt. Die Schützenwiese sehe ich auch künftig im Innenraum der Rennbahn, die ökologisch aufgewertet werden muss und multifunktional für Freizeit und Sport zur Verfügung stehen sollte. Auch wäre sie der beste Standort für ein Sportcenter der Turngemeinde.
Und die Kirmes?
Breuer: Vor 25 Jahren gab es die Idee, den Rummel auf die große Fläche am Obertorweg zu verlegen. Das wäre möglich, ohne dass Kirmes und Schützenwiese zusammenwachsen. Die Multifunktionshalle könnte dann auf dem Wendersplatz gebaut werden.
Mit den Gewerbesteuer-Einnahmen von Johnson & Johnson macht planen Freude...
Breuer: In Neuss bewegt sich viel und wir schauen auf ein Megajahr zurück. Die einmalige Gewerbesteuer-Zahlung war ein Glückfall, so dass wir konsolidieren, und auf Jahre hinaus unseren Haushalt ausgeglichen gestalten können. Aber auch aus anderen Grundstücksverkäufen, zum Beispiel an Creditreform, fließen uns ordentlich Mittel zu. Das Geld wollen wir nutzen, um neues Vermögen zu schaffen. Wir investieren in Schulen, Kitas und Hallen. Neuss ist gut aufgestellt.