Krankenhaus in Neuss Auszeichnung für Onkologie am Etienne
Nordstadt · Dem Etienne-Krankenhaus ist etwas gelungen, was bislang nur sechs weitere Kliniken in der Bezirksregion geschafft haben. Was steckt hinter diesem Kraftakt?
Große Auszeichnung für das Johanna-Etienne-Krankenhaus: Nachdem die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) das Lungenzentrum zertifiziert hat, haben die Landes- sowie die Bezirksregierung das Krankenhaus nun als „onkologisches Spitzenzentrum“ anerkannt. „Darauf sind wir schon stolz“, sagt der Geschäftsführer Paul Kudlich, „denn wir sind eines von sechs Spitzenzentren im Bereich der Bezirksregierung und das einzige im Rhein-Kreis Neuss.“ Die anderen erfolgreich zertifizierten Kliniken sind etwa die Uniklinik Essen sowie die in Düsseldorf.
Kudlich fügt hinzu: „Wir sind ein kleines Haus, umso bemerkenswerter ist die Anerkennung durch die Landesregierung.“ Das hat Konsequenzen: Fördergelder können akquiriert, die Bettenzahl des Krankenhauses aufgestockt werden.
Vor allem aber profitieren die Patienten, die in einem Spitzenzentrum behandelt werden. Sie haben eine deutlich höhere Überlebenschance, wie jahrelange statistische Untersuchungen nachweisen. Die Sterblichkeitsrate sinkt bei Gebärmutterhalskrebs um 26 Prozent, bei Brustkrebs um annähernd zwölf Prozent, bei Lungenkrebs um 15 Prozent.
Eine Untersuchung der Krenkenkasse AOK und vier regionaler Krebszentren für die Jahre von 2009 bis 2017 weist nach, dass die Sterblichkeit bei acht untersuchten Krebsarten in Zentren mit dem Zertifikat der DGK signifikant im zweistelligen Prozentbereich niedriger ist als in Häusern ohne Zertifikat. „Das ist von Tumor zu Tumor allerdings verschieden“, sagt Lars Galonska, der Leiter des Tumorzentrums am „Etienne“, dem einzigen onkologischen Spitzenzentrum im Rhein-Kreis Neuss. Der Facharzt für Innere Medizin, Onkologie und Hämatologie fügt hinzu: „Unser Ziel ist es, unseren Patienten als Mensch zu begegnen. Mit unserer Erfahrung und unserem Wissen begleiten wir sie individuell und fachlich kompetent – nach dem neuesten Diagnose- und
Behandlungsstandard.“
Der Arzt betont das „uns“ mit Absicht. Denn regelmäßige Tumorkonferenzen, bei denen Experten unterschiedlicher Fachabteilungen der Klinik gemeinsam beraten, erlauben den ganzheitlichen Blick auf den Patienten. Das wurde bei der Zertifizierung besonders gelobt. „Von der eminenzbasierten zur evidenzbasierten Medizin“ nennt den Fortschritt Lars Galonska mit einem Augenzwinkern: Früher habe der Chef alleine bestimmt. Heute werde die Behandlung in einem Konsens gesucht. Und weil die Onkologie speziell von der Versorgungsqualität abhängt, wird auf die psychoonkologische Betreuung neben der medizinischen Versorgung besonderer Wert gelegt. Die „onkologische Vertrauensperson“ ist quasi eine Erfindung des „Etienne“. Speziell ausgebildetes Pflegepersonal steht den Patienten bei Wunsch auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur Verfügung. Das wurde ebenfalls bei der Zertifizierung besonders gewürdigt. Zwei Tage lang untersuchten im vergangenen November vier Mitarbeiter der Deutschen Krebsgesellschaft vor allem die Qualität der Arbeit. Mit Vor- und Nacharbeit nahm der ganze Prozess gut ein halbes Jahr in Anspruch. „Das war schon ein Kraftakt, dieses Zertifikat zu bekommen“, betont Geschäftsführer Kudlich. „Voller Freude betrachte ich als Meilenstein, dass das Land Nordrhein-Westfalen dies auch honoriert.“
Lars Galonska sieht weitere positive Aspekte. Das vergangene Jahr war mit einer wissenschaftlichen Arbeit verbunden: „Was müssen wir verbessern, um alle Prozesse zu optimieren?“ Und wiederum mit einem Augenzwinkern fügt er an: „Die kontinuierliche Verbesserung hielt mich wach. An Schräubchen zu drehen, macht mir Spaß.“