Neuss: Familienhölle im Bühnen-Aquarium
„Die Glasmenagerie“wird am RLT laut, aber konventionell abgewickelt.
Neuss. "Träumen!" lautet das Spielzeitmotto des Rheinischen Landestheaters, und auch dieses Stück passt dazu. In Tennessee Williams’ "Die Glasmenagerie" lernt man allerdings die Sorte Traum kennen, die Träumern das Leben vom Hals halten soll. Das geht so lange gut, bis das Leben dann erbarmungslos die Traumwelten zerstört. Williams’ moderner Klassiker - 1946 in Chicago uraufgeführt - feierte jetzt in der Inszenierung von Grazyna Kania am Landestheater Premiere.
Ausstatterin Ivonne Theodora Storm hat einen mit Kühlschrank und drei Klappstühlen sparsam möblierten Quader aus Stahlträgern auf die Bühne gesetzt, ein Aquarium ohne Glaswände. Die Familienhölle von Mutter Amanda Wingfield (Hergard Engert) und ihren Kindern Laura (Christiane Nothofer) und Tom (Stefan Schleue) wird so auf einem Präsentierteller zur Schau gestellt. Leider finden hier Ensemble und Regie über weite Strecken nicht zu einer angemessenen Spielweise.
Mutter Amanda träumt sich in die Zeit ihrer Jugend zurück, in der ihr (angeblich) die Verehrer zu Füßen lagen. Tom muss den Vater, der sich schon lange aus dem Staub gemacht hat, als Ernährer ersetzen, flüchtet aus seiner Existenz als schlecht bezahlter Lagerist und von der Mutter tatsächlich auch begrapschter Ersatzmann in den Alkohol und die Träume des Kinos. Die leicht körperbehinderte und verletzliche Laura schließlich hat sich mit einer Sammlung von kleinen zerbrechlichen Glastierchen, der Glasmenagerie, ihre eigene Traumwelt geschaffen.
Etwas verstaubt sind Familienkonstellation und Geschlechterrollen, das rückt einem das Personal eh schon in die Ferne. Hinzu kommt: aufgesetztes Getue bei der Mutter, verkrampfte Körperhaltungen bei der Tochter, leerer Blick beim Sohn. Die Schauspieler stellen die Neurosen und Verhinderungen ihrer Figuren alle so überdeutlich aus, dass die Langeweile des Vorhersehbaren schnell eintritt. Auch die dauer-erregte Konversation erzeugt bald das Gegenteil von Mitempfinden. Subtilere Zwischentöne gehen in all dem Getue unter.
Zur Ruhe kommt die Inszenierung nur, wenn Toms Kollege Jim (Roman Konieczny) zu Besuch ist. Die Mutter hat Tom genötigt, Jim einzuladen, damit Laura unter die Haube kommt. Jim lässt sich auf ein Tête-à-Tête ein, obwohl er verlobt ist. Damit bricht er Laura das Herz.
Aus ihrer Schreckstarre löst sie sich nicht mehr, so wie sich die Inszenierung von einem konventionellen Blick auf das Stück nicht löst. Schade.