Diskussion um Männervereine in Neuss Mitbestimmung wichtiger als Marschieren
Neuss · Auch ohne Verlust des Steuerprivilegs ist in die Männerdomäne Schützenverein Bewegung gekommen.
Constanze Stroeks ist seit einem Jahr Mitglied im Neusser Bürger-Schützen-Verein. Ja, das gibt es. Wie sie haben bislang weniger als 20 Frauen erfolgreich die Aufnahme in den größten Männerverein der Stadt beantragt, wenn auch nur als passive, also fördernde Mitglieder. Ihre Gegenwart ist ein Grund, warum Schützenpräsident Martin Flecken gelassen bleibt, wenn – wie am Wochenende von Bundesfinanzminister Olaf Scholz angekündigt – reinen Männervereinen mit dem Verlust des Steuerprivilegs der Gemeinnützigkeit gedroht wird. Und, so merkt er zusätzlich an, gelte die Gemeinnützigkeit der Schützen ja auch deshalb, weil sie das Brauchtum pflegen und das „Fest feiern wie seit fast 200 Jahren.“
Dass Schützen als Männerbünde Probleme mit dem Finanzamt bekommen könnten, hatte sich schon 2017 angedeutet. Damals hatte Landes-Finanzminister Norbert Walter Borjans (SPD), heute Scholz’ größter Konkurrent im Kampf um den Bundesvorsitz der Partei, sich mit einem Ministererlass über die Entscheidung eines Finanzamtes hinweggesetzt, das einem Schützenverein die Gemeinnützigkeit aberkennen wollte. Dieser Einsatz brachte ihm eine Einladung der Schützen in Brilon ein, die er mit seinem Cheffahrer Franz-Michael Rennefeld aus Neuss besucht. Der Chauffeur natürlich im grünen Rock der Hubertusschützen.
Aber: Schon dieser Fall reichte, das Schützenwesen in Neuss in Bewegung zu bringen. Die Bügerschützen in Reuschenberg öffneten sich und ermöglichten Frauen die aktive Mitgliedschaft, bei der Norfer Andreas-Bruderschaft erreichte ein solcher Antrag von einem Korps und zwei Kapellen im Regiment nicht das erforderliche Quorum. Wichtiger Anstoß für diese Veränderung war aber auch, dass nur mit Frauen im Sattel die kleinen Reiterkorps zu retten – und die Frauen in den Kapellen ja ohnehin mitmarschieren. Wenn auch – wie in Grefrath – nur mit Sondergenehmigung.
In Erfttal sind Frauen seit Jahren auch als Marschierer willkommen, doch wird weitere eine klare Trennung vorgenommen. „Wir wehren uns gegen gemischte Korps“, sagt Präsident Frank Buchholz. Er würde es begrüßen, wenn sich auch andere Schützenvereine in der Stadt für Frauen öffnen oder diese gar mitmarschieren ließen, „will das aber für keinen zum Diktat machen“.
Für Constanze Stroeks ist das Marschieren gar nicht so sehr das Thema, auch wenn sie Frauen kennt, die da gerne mittun würden. „Ich möchte nicht mitmarschieren, aber mitgestalten“, sagt sie. Nach ihrer Ansicht wäre schon viel gewonnen, wenn Frauen Stimmrecht im NBSV und vielleicht sogar ein weibliches Komiteemitglied als Ansprechpartner hätten – und Frauen auch die Parade auf dem Markt abnehmen dürften.