Jetzt schließt auch Rolf’s Brasserie Neusser Restaurant-Sterben setzt sich fort
Neuss · Personalmangel, hohe Kosten —Rückkehr zur 19-Prozent-Mehrwertsteuer: Die Rahmenbedingungen für die Gastronomie werden bekanntlich immer schlechter. Nun zieht mit „Rolf’s Brasserie“ der nächste Betrieb die Reißleine.
Rolf Peters nimmt einen Zug von seiner Zigarette und atmet langsam aus. Ihm ist anzumerken, dass er mit der Situation hadert. „Wir wollten den Leuten hier in Allerheiligen etwas Schönes bieten, aber es geht nicht mehr“, sagt der 57-Jährige. Seit wenigen Tagen liegt den Speisekarten in seinem Restaurant „Rolf’s Brasserie“ ein zusätzliches Blatt bei, das vor allem bei Stammgästen für traurige Gesichter sorgt. Darauf werden sie nämlich darüber informiert, dass das Lokal an der Richterstraße zum 9. Juni schließen wird.
Als Ursache wird gleich eine ganze Reihe an Gründen angeführt – die bereits einige weitere Gastronomen in der jüngeren Vergangenheit in die Knie zwang. „Der umfangreiche Personal- und Fachkräftemangel – gepaart mit schlechten Arbeitszeiten – machen es uns unmöglich, Personal im Service und in der Küche zu finden. Zudem kommen noch die weiterhin hohen Energiekosten, die stetigen Preiserhöhungen bei unseren Lieferanten, der immer weiterwachsende bürokratische Aufwand, die Erhöhung des Mindestlohns und nicht zuletzt die Anhebung der Mehrwertsteuer zum Anfang des Jahres hinzu“, schreiben die Verantwortlichen.
Konkret bedeute dies: Um die Brasserie kostendeckend zu führen, müssten die Preise um 40 Prozent erhöht werden – oder es müsste an der Qualität gespart werden. Beides wolle man nicht, heißt es. Bereits zu Beginn des Jahres, im Zuge der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuer-Satz auf Speisen von 19 Prozent, habe man die Preise erhöhen müssen. Das Schnitzel kostet seitdem 23,50 Euro statt 19,50 Euro. Weitere Erhöhungen will Peters seinen Gästen nicht zumuten. „Wer kann sich das denn heutzutage noch leisten?“, fragt er. Von der Politik fühlt sich der bekannte Gastronom, der 25 Jahre bei „Roberts Bistro“ im Düsseldorfer Medienhafen als Chefkoch und Miteigentümer tätig war, alleingelassen. Künftig wolle er wieder in der Landeshauptstadt arbeiten, Angebote gebe es schon.
Die geschilderten Probleme im Gastgewerbe kann auch Axel Buß bestätigen. Vor allem der eklatante Personalmangel mache ihm seit Langem zu schaffen. Auch er wird sein Restaurant „Zum Stübchen“ an der Preußenstraße schließen (zum Jahresende), allerdings aus gesundheitlichen Gründen, wie er sagt.
Wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) auf Nachfrage bestätigt, steckt das Gastgewerbe seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Krisenmodus. Bestimmte Herausforderungen hätten sich zudem noch einmal verschärft. Das gelte beispielsweise für den Bereich Arbeitskräfte. „Bereits vor Corona, im Jahr 2019, gab es viele offene Stellen, obwohl in den zehn Jahren zuvor rund 100.000 neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden konnten“, sagt Sprecher Thorsten Hellwig. Heute liege man zwar „nach Köpfen“ wieder über 2019, im Rhein-Kreis Neuss sogar 5,9 Prozent, aber trotzdem sei viel Know-how und Erfahrung während der Pandemie verloren gegangen. Viele Stellen blieben demnach offen. Der hohe Kostendruck setze der Branche zudem zu – die Kostensteigerungen bei Lebensmitteln, Personal und Energie hätten Preisanpassungen für die meisten Betriebe zwingend notwendig gemacht, die Mehrwertsteuererhöhung bei Speisen habe den Druck weiter erhöht. „Die Preisanpassungen wiederum haben zu einer gewissen Konsumzurückhaltung geführt“, so Hellwig. Die Auswirkungen dieser Gemengelage könnten vielfältig sein: „Über veränderte Öffnungszeiten oder ein umgestelltes Speisenangebot, zurückgestellte Investitionen bis hin zu Schließung“, so Hellwig. Eine realistische Einschätzung könne man allerdings wahrscheinlich erst zum Ende des Jahres geben.
Was der Branche helfen könnte, sei unter anderem eine Rückkehr zu sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen, weniger Bürokratie, um Ressourcen an wichtigeren Stellen im Betrieb einsetzen zu können, mehr Freiheiten bei der Arbeitszeitgestaltung und mehr Engagement des Staates bei der Mobilisierung des Arbeitsmarktes.