Neusser Sozialdemokraten zum Koalitionsvertrag: „Doch ganz gut geworden“

SPD-Chef wirbt um Zustimmung zum Vertrag — auch bei Unbehagen.

Neuss. Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, nun fehlt das zustimmende Votum der SPD-Mitglieder. Die Stimmung ist schwer einzuschätzen, Ablehnung trifft auf zögerliche Zustimmung.

Eindeutig gegen eine große Koalition hatte sich der Neusser SPD-Vorsitzende Benno Jakubassa geäußert — am Tag nach der Bundestagswahl. „Nach der verlorenen Wahl“, wie er sagt. „Und dann ist das Ding ja doch ganz gut geworden“, betont er jetzt. Der kritische Genosse kann sich mit dem Vertrag anfreunden. Man dürfe eben nicht Maßstäbe anlegen, als habe man die absolute Mehrheit erreicht. „Alles durchsetzen? Gibt’s nicht.“

Besonders wichtig ist dem Chef der SPD in Neuss, dass der Mindestlohn tatsächlich eingeführt wird. „Das war bisher doch ein Skandal in Deutschland. Und jetzt gibt es zumindest den Einstieg in den Mindestlohn, flächendeckend, überall.“ Freude und Enttäuschung gleichzeitig empfindet er angesichts der eher zögerlichen Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit, positiv sieht er die Verbesserungen in der Rentenpolitik. „Wir fangen an, die Dinge zu verbessern.“

Jakubassa wirbt um Zustimmung der Genossen. „Sie sollten mit Ja stimmen, auch mit der Faust in der Tasche.“ Nicht zuletzt, weil die SPD-Führung eine Ablehnung nicht überleben werde.

Auch Rainer Thiel, Vorsitzender der Kreistagsfraktion und Landtagsabgeordneter, betont: „Das ist ein gut ausgehandelter Vertrag, mit dem die SPD gut leben kann.“ Der Energieexperte aus Grevenbroich wertet auch positiv, dass der heimische Energieträger Braunkohle eine Chance erhalte. Der Rahmen für die Grundlast und Versorgungssicherheit zu vernünftigen Preisen sei durch den Ausbaukorridor der erneuerbaren Energien gegeben, sagt Thiel.

Nach jahrelanger Diskussion komme nun der gesetzliche Mindestlohn, auch führt der Abgeordnete Verbesserungen für Infrastruktur und Finanzausstattung der Kommunen als Punkte auf der Haben-Seite an. „Ich kann reinen Herzens die Zustimmung empfehlen.“ Kurz nach der Wahl sah er eine Koalition mit Skepsis. Auch die Kreispartei sagte vor zwei Monaten „nein“. Doch: „Jetzt sind wir weiter. Ich habe großes Vertrauen in die Mitglieder.“

Noch unentschlossen ist Michael Ziege, stellvertretender Vorsitzender der Neusser Jusos. Zwar sei er „überrascht, wieviel die SPD im Vertrag unterbringen konnte“, und nennt vor allem den Mindestlohn. „Stark vernachlässigt“ sieht er aber gesellschaftspolitische Themen. Empfehlen mag er nichts. Wichtig ist ihm: „Aus Prinzip dagegen zu sein, ist sicher falsch.“

Verhalten-positiv wertet der Neusser CDU-Chef Jörg Geerlings den Vertrag. Der ganz große Wurf, sagt er, sei ausgeblieben. So hätte er sich etwa Entlastung bei Energiekosten durch eine Novellierung des EEG-Gesetzes gewünscht.