Römergräber entdeckt: Blaue Flasche für die Unterwelt
Fünf Römergräber auf Baustelle an der Promenadenstraße entdeckt.
Neuss. Ein Bagger bewegt Erdmassen, begradigt, trägt ab: An der Promenadenstraße, direkt gegenüber der Alten Post, wird der Baugrund für ein neues Wohn- und Geschäftshaus vorbereitet.
Seit Dienstagmorgen sind dort auch Feinarbeiter gefragt: Die städtischen Archäologen um Sabine Sauer sind 2,50 Meter tief unter dem Straßenniveau auf — bislang — fünf Römergräber aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. gestoßen.
Ganz überraschend kam der Fund nicht, dass an dieser Stelle ein so dichtes Gräberfeld liegt, erstaunt Sabine Sauer aber schon. Am Rand des einstigen Vicus, der Zivilsiedlung der provinzialrömischen Bevölkerung, wurden schon diverse Gräber gefunden.
So auch gleich neben der jetzigen Baustelle, als beim Umbau des alten Telegrafenamtes ein Arbeiter eine „Bombe“ entdeckt hatte: Abdeckung einer römischen Grabstätte, eines Körpergrabs aus späterer Zeit.
Nun also gleich vier Ruhestätten. Im 1. Jahrhundert gab es noch keine Körperbestattung in Särgen. Die Toten wurden verbrannt, die Überreste in einer Art Kiste mit Grabbeigaben bestattet.
Die Gräber liegen im hinteren Teil des Baugrundstücks offen zutage. Eine 75 mal 50 Zentimeter große Steinumfassung aus einem Stück ragt im Nieselregen aus dem Lehm; „ein teures Teil“, sagt Sabine Sauer.
Eine blaue Glasflasche für Salböl wurde vor fast 2000 Jahren dem unbekannten Toten mitgegeben. In anderen Gräbern, eines davon mit Schieferrand und Schieferplatte als Abdeckung, finden sich ein Weinkrug, Sigillata-Essgeschirr, zwei Firnisbecher: normale Beigaben auf dem Weg in die Unterwelt.
Die Datierung macht Sabine Sauer, die in Neuss schon zahllose Zeugnisse aus römischer Zeit geborgen hat, keine Mühe. Aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts stammen diese Gräber, aus der Frühzeit der Siedlung, in der ein Stück entfernt vom Soldatenlager die Zivilisten lebten. Ihre Gräber breiteten sich am Rand der Siedlung aus. Erst im 3. Jahrhundert begann man mit der Bestattung in Särgen.
Das Bauvorhaben werden die Funde nicht verzögern. Die Archäologen legen auf Knien im Matsch vorsichtig weitere Funde frei, vermessen, bergen, was geht, fotografieren, protokollieren.
„Ach, und dann war da noch ein Pferd“, sagt Sabine Sauer. Nein, keine Statuette als Grabbeilage für einen betuchten Zivilisten. Vielmehr ein „echtes“ Pferdeskelett, 15. Jahrhundert, vermutet die Archäologin. Ganz andere Zeiten, als sich dort, wo einst die erste Siedlung entstanden war, eine florierende Handelsstadt erstreckte. Wie natürlich auch zahllose Funde belegen . . .