Uta Husmeier-Schirlitz im Interview: „Sanierung allein reicht nicht aus“
Uta Husmeier-Schirlitz, Direktorin des Clemens- Sels-Museums, über das „Juwel“ mit ungewisser Zukunft.
WZ: Frau Husmeier-Schirlitz, wie geht es Ihnen?
Husmeier-Schirlitz: Mir persönlich? Gut, gar keine Frage!
WZ: Das Museum feiert sein 100-jähriges Bestehen. Wie schätzen Sie sein Ansehen in Neuss ein, wie das im Umland?
Husmeier-Schirlitz: Ich denke, die Menschen in Neuss schätzen das Museum. Sie könnten aber noch viel stolzer auf ihr traditionsreiches Haus sein. Die Neusser haben dieses Juwel im Schatzkästchen noch nicht wirklich entdeckt. Von Beginn an als Mehrspartenhaus angelegt, hat es sich ständig weiterentwickelt. Heute ist es von überregionaler, in Bezug auf die Kunstsammlung ganz sicher auch von internationaler Bedeutung. Innerhalb von Europa haben wir einen Namen, den ich nicht erklären muss.
WZ: Die Sammlung reicht von Funden der Römerzeit und die Schau zur mittelalterlichen Stadtgeschichte über niederländische Schule und Symbolisten bis zur konzeptuellen Farbmalerei. Ist das in einem Haus zu bewältigen?
Husmeier-Schirlitz: Aber ja. Natürlich kommen wir an Grenzen. Die Räumlichkeiten sind einfach so, dass wir vieles nicht zeigen können, zum Beispiel die Kunst der Naiven oder nur einen kleinen Teil der grafischen Sammlung.
WZ: Welchen Bereich möchten Sie weiterentwickeln?
Husmeier-Schirlitz: Für mich ist wichtig, in der Kunst die Entwicklung von Symbolismus zum Expressionismus offenzulegen. Quasi als einen „zweiten Weg“ in die Moderne. Das ist nur bei uns so zu zeigen.
WZ: Und in der Didaktik?
Husmeier-Schirlitz: Weiterentwickeln möchte ich natürlich die Vermittlung an sich: Nur das wissende Auge erkennt. Ich möchte die junge Generation für das Echte, für das Original, für das Nicht-Reproduzierte begeistern.
WZ: Zu Beginn ihrer Chef-Tätigkeit haben Sie mit einer spektakulären Picasso-Ausstellung Aufsehen erregt. Gibt es eine Schau, die Sie in den nächsten Jahren unbedingt zeigen möchten?
Husmeier-Schirlitz: Was wir jetzt im Jubiläumsjahr zeigen werden, „Sehnsucht nach Farbe. Moreau, Matisse & Co.“, ist wie die Picasso-Ausstellung ein langgehegter Herzenswunsch. Ich sage nicht ohne Stolz: Große Häuser sind daran gescheitert. Wir kriegen es hin — obwohl wir an die Sparzwänge der Stadt gebunden sind. Seit fünf Jahren haben wir erhebliche Ressourcen verloren. Auch wenn wir kreativ in Sachen wundersame Geldvermehrung sind: Ein solches Projekt kann man nur alle paar Jahre machen.
WZ: Wie gewinnen Sie neue Besucher?
Husmeier-Schirlitz: Zum Beispiel durch die erfolgreiche Aktion „kUNSt gehört die Nacht“ für die etwa 16- bis 25-Jährigen. Die wird es in diesem Jahr wieder geben. Für Eltern mit Kindern bieten wir Entdeckungstouren an — spannend für die Kinder, informativ für die Eltern. Man muss aber sagen: Wir stecken unsere Mittel in die Ausstellungen und Programme. Da bleibt leider fast nichts für die Werbung.
WZ: Wie muss sich das Haus — inhaltlich — weiterentwickeln?
Husmeier-Schirlitz: Als Mehr-spartenhaus bietet es außergewöhnliche Möglichkeiten. Da lassen sich Verbindungen aufzeigen. Außerdem möchte ich die Nischenpflege weiter betreiben und einzigartige Ausstellungen zum Symbolismus, Expressionismus und der konzeptuellen Farbmalerei machen. Dann geht es auch um neue Präsentationsformen: Das 24-Stunden-Museum. Kunst, die man entsprechend der unterschiedlichen Tageszeiten anders wahrnimmt. Kunst drinnen und draußen, wie im Sommer bei der Installation „mapping the city“ von Rita Rohlfing.
WZ: Wie gefällt Ihnen das Haus, der Bau, eigentlich?
Husmeier-Schirlitz: Das ist eine Hassliebe! Die Räume konterkarieren jegliches Konzept. Man schafft es durch eine geschickte Hängung, dass Besucher die räumlichen Mängel nicht immer gleich erkennen. Aber manchmal kribbelt es geradezu: Mal eine Skulptur zu zeigen, der die Decke fast auf den Kopf fällt. Ein großformatiges Bild ohne Abstand zur Decke hängen . . . Eine konzeptionell optimal gehängte Wechselausstellung ist in diesen Räumen einfach nicht möglich.
WZ: Was ist mit einer Gastronomie?
Husmeier-Schirlitz: Natürlich fehlt uns ein Museumscafé. Das ist längst Standard.
WZ: Die Probleme am Haus von defekter Heizung bis zum maroden Dach sind ebenso bekannt wie die Probleme beim Umgang damit. Der Deilmann-Bau ist dringend sanierungsbedürftig, Wie sind Sie durch den Winter gekommen?
Husmeier-Schirlitz: Na ja. Es ist erstaunlich gut gegangen. Wir hatten einen Schutzengel. Aber das Risiko steigt.
WZ: Da der Landschaftsverband die Denkmalwürdigkeit festgestellt hat, wird sich die Sanierung noch weiter verzögern. Haben Sie Auslagerungspläne in der Schublade?
Husmeier-Schirlitz: Die Pläne gibt’s. Aber die brauchen wir ohnehin für den Havariefall.
WZ: Kann denn ohne Auslagerung saniert werden?
Husmeier-Schirlitz: Bekanntlich sind Heizung, Beleuchtung, Elektrik und Dach marode. Da alles verknüpft ist und eine Sanierung sicherlich sehr aufwändig wird, ist relativ wahrscheinlich, dass dann große Teile der Kunstsammlung ausgelagert werden müssen. Wir haben ja wegen unserer Raumknappheit überhaupt keine Möglichkeit, innerhalb des Hauses umzulagern.
WZ: Das wird teuer.
Husmeier-Schirlitz: Das wird teuer. Bisher kennen wir noch keine Zahlen. Wenn die auf dem Tisch liegen, ist zu überlegen: Ist eine teure Sanierung der richtige Weg, um das Haus in die Zukunft zu führen? Die system-immanenten Mängel bleiben jedenfalls bestehen.
WZ: Reicht also eine Sanierung nicht aus?
Husmeier-Schirlitz: Das Haus mit seiner jetzigen Fläche ist nicht zukunftsfähig. Wenn wir keine Erweiterung bekommen, wird die Bedeutung des Museums schwinden. Wir brauchen ein Museum mit Erweiterungsbau. Oder einen Neubau. Oder ein umgewidmetes, kernsaniertes Gebäude. Klar ist: Die Sanierung allein reicht nicht.
WZ: Wie wird das Clemens-Sels-Museum sein 125-jähriges Bestehen feiern?
Husmeier-Schirlitz (lacht): Spannende Frage. Es wird in neuen Räumlichkeiten gefeiert. Und die Sammlung wird durch Zustiftungen und Schenkungen an Bedeutung gewonnen haben.