Verletzte Tiere in Neuss Wildtier-Retterin als Nebenjob

Neuss · Wenn Coco Freudenberg sich mit ihren Freunden oder ihrer Familie trifft, dann kann es immer sein, dass sie spontan einen Vogel, Igel oder einen Hund mitbringt. „Einmal hatte meine Schwester eine Theateraufführung“, erzählt die 26-Jährige. „Auf dem Weg dahin hatte ich eine verletzte Taube gefunden – dann habe ich mich einfach mit ihr in den Zuschauerraum gesetzt.“ Die 26-Jährige arbeitet als Ergotherapeutin in der psychiatrischen Fachklinik der St.-Augustinus-Gruppe in Neuss.

Hilft Tieren in Not: Coco Freudenberg vor dem „Krankenwagen“ des Tiernotrufs.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Doch nicht nur: An zwei Tagen die Woche fährt Coco Freudenberg ehrenamtlich den „Tierkrankenwagen“ des Tiernotrufs.

Ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Tieren hat die heute 26-Jährige schon als Kind entdeckt: „Mit neun Jahren hatte ich meinen ersten eigenen Hund, ab da war es um mich geschehen.“ Nach dem Abi wollte sie dann „etwas Gutes tun.“ Sie schrieb ihren jetzigen Chef an und absolvierte ein Praktikum bei dem damals noch sehr jungen Verein. „Da hatte ich ziemliches Glück“, so Freudenberg. „Normalerweise geht das nämlich nicht.“ Ein paar Monate später durfte sie den Tierkrankenwagen selbst fahren. Inzwischen ist sie seit acht Jahren dabei.

Ein verletzter Vogel, ein Igel, der feststeckt, eine Katze, die auf einem Dach hockt und nicht mehr runterkommt. Ein typischer Arbeitstag sieht für Coco so aus: „Zuerst hole ich unseren Wagen und stelle mein Handy um.“ Dann trudeln die Anfragen bei ihr ein. Bis zu 100 Anrufe pro Tag können das sein. Wann man sich beim Tiernotruf melden sollte? „Immer wenn sich ein Tier apathisch verhält oder keinen Fluchtreflex zeigt. Oder wenn Verletzungen zu sehen sind“, sagt Freudenberg. Grundsätzlich wäre es auch besser, einmal zu viel als einmal zu wenig anzurufen. „Viele Situationen lassen sich auch bereits am Telefon klären.“ Und manchmal würden sich die Tiere auch selber helfen.

Die Ehrenamtlerin mit einem geretteten Rehkitz.

Foto: St.-Augustinus-Gruppe

Lieber einmal zu viel als einmal
zu wenig den Tiernotruf wählen

„Vor ein paar Tagen wollte ich zu einem Storch, der seit Tagen auf einem Feld verharrte, obwohl es eigentlich bereits sehr spät für einen Zugvogel ist“, erzählt Freudenberg. Bis auf 50 Meter wäre sie an das Tier herangekommen – „dann hat er sich aber selbst entschlossen, doch noch nach Afrika zu fliegen.“ Wenn Coco rausfährt, dann zum Beispiel, weil eine Ente sich verletzt hat oder eine Gans in einer Fischerleine verheddert ist. Mithilfe von Keschern oder Wurfnetzen fängt Coco den verletzten Vogel ein und leistet Erste Hilfe. Wenn es was Ernsteres ist, wird das Tier in eine Auffangstation oder eine Tierklinik gebracht. Coco macht den Job aus Überzeugung. Zuletzt war sie sogar mit dem Tierschutzverein „Notpfote“ in der Ukraine unterwegs. „Da haben wir dann zum Beispiel Hunden geholfen, deren Besitzer geflohen waren. Wir haben die Tiere eingesammelt und sie anschließend für eine Adoption nach Deutschland vermittelt.“ Direkt an der Kriegsfront wären sie zwar nicht im Einsatz gewesen. „Aber trotzdem war es eine ziemliche Überwindung.“ Der Einsatz war am Anfang des russischen Angriffskrieges und ständig hätte es Luftalarm gegeben: „Daran musste man sich erstmal gewöhnen.“ Ein paar von Freudenbergs Kollegen waren zum Beispiel auch bereits in Australien im Einsatz, um bei Waldbränden Koalas zu retten. „Ein Team ist momentan außerdem in den Erdbebengebieten in der Türkei und Marokko“, so die 26-Jährige.

Eigentlich fährt Coco Freudenberg den Tierkrankenwagen nur an zwei Tagen die Woche, an den anderen drei Tagen arbeitet sie Vollzeit. „In Wirklichkeit bin ich aber 24/7 auf Abruf. Wenn es einem Tier schlecht geht, würde ich auch um 3 Uhr morgens losfahren.“ Das wäre natürlich anstrengend und sehr fordernd. „Aber mein Freund und meine Familie unterstützen mich. Die wissen, wie ich ticke.“ Coco Freudenberg will aufklären, über Tiere in Not, aber zum Beispiel auch über Missstände in der Tierzucht. Wie lange sie den Tierkrankenwagen noch fahren will? „Ich glaube, ich will das immer machen“, so die 26-Jährige. „Ich denke, das ist meine Berufung.“

Zu erreichen ist der Notruf unter: 0174 770300.