Studie: Altersarmut nimmt zu
Untersuchung stellt bis 2020 bezahlbares altersgerechtes Wohnen in den Fokus.
Rhein-Kreis Neuss. Ein Großteil der älteren Menschen im Rhein-Kreis Neuss wird in den kommenden Jahren über einen Wohnungswechsel nachdenken müssen: Viele Rentner werden sich ihre jetzigen Wohnungen nicht mehr leisten können. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Pestel-Instituts.
Sie prognostiziert eine erheblich zunehmende Altersarmut. Demnach werden 2020 rund 4320 Rentner im Rhein-Kreis Neuss auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sein. Ihre Zahl würde damit noch in diesem Jahrzehnt um nahezu 100 Prozent steigen.
„Das soziale Netz wird die meisten 55- bis 65-Jährigen, die heute von Hartz IV leben, im Rentenalter auffangen müssen. Wir werden damit auch im Rhein-Kreis Neuss einen deutlichen Anstieg der Altersarmut erleben“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover.
Immer mehr Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien gingen in Rente. Phasen von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne und dauerhaft geringfügige Beschäftigungen seien dabei für sinkende Rentenbezüge bei Neurentnern verantwortlich; ebenso eine nur geringe oder keine Altersvorsorge bei vielen Selbstständigen.
Gemessen am Bundesdurchschnitt stuft das Pestel-Institut die zu erwartende Altersarmut im Rhein-Kreis Neuss als „erhöht“ ein. Im Fokus der Berechnungen steht das bezahlbare Wohnen im Alter. „Wenn die Altersarmut im Rhein-Kreis Neuss zunimmt, dann müssen wir über neue Wohnformen nachdenken: kleinere, energieeffiziente und altengerechte Wohnungen für Senioren. Das spart Miete und Heizkosten“, sagt Matthias Günther. Bezahlbar seien für viele ältere Menschen, die alleine lebten, nur noch Wohnungsgrößen zwischen 30 und 40 Quadratmetern.
Um den Kreis auf das Senioren-Wohnen vorzubereiten, müsse in den kommenden Jahren in erheblichem Maße neu und umgebaut werden. Andernfalls drohe eine „graue Wohnungsnot“ — und damit die soziale Ausgrenzung Älterer beim Wohnen. Immerhin werde die Zahl der Rentner im Rhein-Kreis Neuss bis 2020 um gut 8 Prozent auf etwa 99 400 steigen.
Der Großteil der Senioren hat, so die Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“, will möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen. „Es macht also Sinn, für Wohnformen zu sorgen, die es älteren Menschen erlauben, weitgehend selbstständig im Alltag klarzukommen“, sagt Matthias Günther. Hier seien Häuser mit kleinen Apartments die ideale Lösung.
„Die älteren Menschen können sich dabei im Alltag unterstützen und einen Teil ihrer Zeit gemeinsam verbringen — etwa in einer Gemeinschaftsküche“, so Günther. Dies sei eine gut umsetzbare Alternative zum Mehrgenerationenhaus. „Solche Gemeinschaftseinrichtungen beugen einer Vereinsamung im Alter vor. Und sie vermeiden, dass Ältere vorzeitig ins Heim müssen“, sagt Matthias Günther.
Die Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“ fordert vom Bund dringend stärkere Anreize für das altersgerechte Sanieren und für den Neubau von barrierearmen Senioren-Wohnungen. Dazu müssten für das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ in den kommenden Jahren mindestens 100 Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt werden.
Dieser Bedarf stehe jedoch im krassen Widerspruch zu dem, was die Bundesregierung derzeit plane. Die KfW-Mittel für diesen Bereich sollen noch in diesem Jahr auslaufen.
Ronald Rast, Sprecher der Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“, kritisiert, dass der Bund sich auf den enormen Bedarf an Senioren-Wohnungen noch nicht eingestellt habe. Die KfW-Mittel würden dringend gebraucht. „Einziger Haken an der Sache ist, dass in erster Linie nur zinsverbilligte Darlehen geboten werden — und das für Menschen, die 65 oder 70 Jahre alt sind. Wer bindet sich denn da noch an einen Kredit?“, fragt Ronald Rast.
Nur über Investitionszuschüsse könne es gelingen, Senioren dazu zu bewegen, als Bauherren noch einmal privat zu investieren. Erst dann würden die Programme zum seniorengerechten Bauen greifen. „Nur mit einer festen Zusage für eine feste Summe lassen sich Ältere überzeugen, noch einmal in den altersgerechten Umbau zu investieren“, so der Sprecher der Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“.