Ärzte: Neue Notdienstregel bringt Nachteile für die Patienten
Künftig müssen Sprockhöveler zur Notversorgung nach Witten, Hagen oder Schwelm fahren.
Sprockhövel. "Die neue Notdienst-Regelung ist beschlossene Sache, da ist leider nichts mehr zu machen", sagt Roland Sorgenicht, Allgemeinmediziner und Internist in Sprockhövel. "Viele Patienten sind aber über die Inhalte nicht genügend informiert, obwohl die Regelung gerade für sie drastische Veränderungen mit sich bringt."
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe will ab 1.Februar einen zentralen Notdienst einrichten. Demnach sollen nachts, an Feiertagen, den Wochenenden sowie Mittwochnachmittags der Notdienst nicht mehr von Sprockhöveler Ärzten, sondern von zentraler Stelle aus organisiert werden. "Die Bezirksstelle Bochum entscheidet jetzt, wie der Notdienst aussieht. Auch für Sprockhöveler", sagt Roland Sorgenicht. Über eine Hotline werden Patienten aus dem gesamten Gebiet Westfalen-Lippe vermittelt. Ausgenommen bleibt die Notrufnummer 112.
Die Patienten im Ärztehaus Geschwister-Scholl-Straße in Haßlinghausen sind wütend: "Ich wusste nichts von einer neuen Regelung", sagt etwa Hanspeter Schulz. Er könne sich nur einen Notdienst "in der Nähe" vorstellen. "Lange Strecken sind für einen Kranken schwer zumutbar", sagt er.
Die Anlaufstellen für Notdienstpatienten aus Sprockhövel sollen künftig die Krankenhäuser Hagen, Witten, Hattingen und Schwelm sein. Für diejenigen, die nicht mobil sind, wird ein zentraler Fahrdienst eingerichtet, der einen Arzt aus dem Großraum zum Patienten bringt. "Das kann lange Wartezeiten bedeuten, denn womöglich sitzt der Arzt in Bochum, der Patient in Haßlinghausen", erklärt der Mediziner.
Vor allem treffe es Patienten, die eine Bindung zu den Ärzten vor Ort aufgebaut haben, etwa Ältere oder chronisch Kranke, erklärt Sorgenicht. "Das System ist jetzt völlig anonym."
Die Regelung im Südkreis, Ennepe, Schwelm und Gevelsberg, ist der neuen ähnlich - "allerdings sehr viel regionaler", erklärt Christian Füllers, Notdienstbeauftragter für den Südbezirk. "Es wird also auch für uns eine Umstellung." Von 100Notärzten, die bisher eingeteilt werden müssen, sind es laut Füller künftig etwa1000.
Hintergrund der Fusion seien Interessenskonflikte. Das bestätigt auch die Kassenärztliche Vereinigung: "Wir wollen ein faires und einheitliches System schaffen", sagt KV-Sprecher Christopher Schneider. Die Arztdichte auf dem Land sei gering. "Die Landärzte müssen oft alle vier Wochen für den Notdienst bereit stehen. Das neue System bedeutet für sie eine Entlastung." Zumal jeder vierte Landarzt älter als 60 Jahre alt sei. "Der Standort soll so auch wieder attraktiver für junge Ärzte werden." Jeder Arzt müsse jetzt zwei Dienste pro Jahr in den Krankenhäusern und zwei Fahrtdienste übernehmen. "Egal ob er aus der Stadt, oder vom Land kommt."
Für den Notdienstbeauftragten Füllers ist die neue Dienstregelung kein Vorteil: Füllers ist kein Hausarzt, sondern Chirurg. "Ein Facharzt muss seine Patienten ohnehin selbst weiter behandeln. Bei inneren Blutungen nach einer Operation kann kein Hausarzt eingreifen."
Roland Sorgenicht sieht ein weiteres Problem in der Möglichkeit, sich als Arzt künftig vom Notdienst befreien lassen zu können. "Viele erfahrene Kräfte werden keinen Notdienst mehr leisten wollen, während die Jungen, die womöglich auf das Geld angewiesen sind, vermehrt den Dienst übernehmen." Das ganze System sei für Sorgenicht lediglich ein "großes Experiment". "Man wird abwarten müssen, inwiefern der Plan sich bewährt."