Nach Geschäftsschluss: Lesespaß im Buchladen
Helga Schulze überließ ihren Laden nach Geschäftsschluss zehn Kundinnen.
Niedersprockhövel. Helga Schulze zieht die Ladentür ihres Buchladens zu, schließt ab — Feierabend. Sie geht jetzt zum Sport. Zehn Kundinnen bleiben im Laden. Gläser mit Prosecco stehen bereit, Gebäck und Salzstangen. Zwei Stunden haben die Frauen jetzt Zeit. Leserinnen im Buchladen eingeschlossen, das ist, als ließe man Gourmets in einem Delikatessladen allein.
Und so schlendern sie erst mal an den Regalen entlang, nippen an ihren Gläsern, lesen hier einen Klappentext, nehmen dort ein Buch mit. Langsam bilden sich auf dem großen Tisch Stapel: Krimis, Reiseführer, Romane. Stille wie in einer Bibliothek. Aber nicht lange, und die ersten Unterhaltungen kommen auf.
„Lohnt es sich, das zu lesen? . . . ich hab mich kaputt gelacht . . . und wie sich das entwickelt . . . ziemlich blutig, aber gut . . . “ Die meisten kennen sich gar nicht. Aber davon ist bald nichts mehr zu spüren.
Zu den literarischen Themen gesellt sich Persönliches: „. . . in Bochum habe ich mal gewohnt . . . ich liebe die Küste . . . “ Von draußen wirft ab und zu ein Passant einen erstaunten Blick durchs Schaufenster. Immer lockerer wird die Stimmung. Immer neue Gesprächsrunden entstehen. Hin und wieder liest eine der anderen eine Passage aus dem Buch vor, das sie gerade in Händen hält. Als eine aus dem „Lexikon des unnötigen Wissens“ vorträgt, hören alle zu. „Das weltweit am meisten verbreitete Druckwerk ist der Ikea-Katalog — ach. Und hier: Bienen heizen durch Zittern ihren Korb auf.“ Die Reaktion der Zuhörerinnen kommt spontan: „Wie süüüß!“
Völlig überraschend geht die Ladenklingel. Helga Schulze ist zurück. Ist sie früher gekommen? Nein, ist sie nicht. Wie im Flug ist die Zeit vorbei gegangen. „Ein bisschen aufgeregt war ich ja schon“, sagt Helga Schulze. „Ich habe das ja zum ersten Mal gemacht.“ Die einen kommen mit ihren neuen Büchern zur Kasse, die anderen können sich nur schwer aus der Runde am Tisch lösen. Und es widerspricht keine, als eine Frau sagt: „Das hat Spaß gemacht. Das müssen Sie mal wiederholen.“