Vergleich Wie teuer Straßensanierungen für Anlieger in der Region sind

Die Kommunen dürfen die Eigentümer der anliegenden Grundstücke an den Kosten der Sanierung einer Straße beteiligen. Der Beitrag variiert stark von Stadt zu Stadt. Ein Vergleich für die Region.

Foto: dpa

Düsseldorf. Die Bahnhofstraße in Schwerte im Kreis Unna ist in den vergangenen Jahren zum Boulevard umgebaut worden. Von vorneherein war klar, dass die Hauseigentümer an den Kosten beteiligt werden sollen. Doch dann kam für die Anlieger die böse Überraschung: Sie sollten plötzlich 2,5 Mal so viel zahlen. Statt der bisher angekündigten 10 000 Euro seien es nun 24 000 Euro. Der Grund: Aus einer „Hauptverkehrsstraße“ mit einer Anliegerbeteiligung von 25 Prozent, sei nun eine „Hauptgeschäftsstraße“ mit einer Anliegerbeteiligung von 55 Prozent geworden. Die Anwohner wollen gegen die Neueinschätzung klagen, die Stadt entschuldigte sich.

In Nordrhein-Westfalen variiert die Anliegerbeteiligung von Kommune zu Kommune. Eine Übersicht:

Solingen führt drei Straßenkategorien in der Straßenbaubeitragssatzung. Bei der reinen Anliegerstraße beteiligt die Kommune die Anlieger an 80 Prozent der Sanierungskosten. Bei Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen sind es noch 60 Prozent. Sanierungen von Hauptverkehrsstraßen müssen zu 40 Prozent von den Anliegern getragen werden. „Wenn Anlieger stark von einer Straßensanierung oder einer Erneuerung profitieren, werden sie dementsprechend stark auch an den Kosten beteiligt“, erklärt Stadtsprecherin Sabine Rische. Die Kosten für jeden Anlieger werden individuell berechnet. Als Bemessungsgrundlage dient hier die Größe des Grundstücks, die Anzahl der Wohnungsgeschosse und die Art der Nutzung.

In Remscheid liegen die Anliegeranteile laut Stadt bei Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahmen an Fahrbahnen zwischen 20 Prozent bei Hauptverkehrsstraßen 60 Prozent bei Anliegerstraßen.

In Krefeld wird lediglich zwischen Hauptverkehrsstraßen mit einer Anliegerbeteiligung von 30 Prozent und Anliegerstraßen mit einer Bürgerbeteiligung von 80 Prozent.

Düsseldorf ist rechtlich verpflichtet Beiträge dann zu erheben, wenn eine Baumaßnahme nach Art und Umfang über eine bloße Instandsetzung oder Unterhaltung hinausgeht“, sagt Stadtsprecher Michael Buch. Für die Fahrbahn einer Anliegerstraße verlangt Düsseldorf 50 Prozent, beim dazugehörigen Parkstreifen 60 Prozent. Die Beteiligung an den Ausbaukosten bei der Fahrbahn einer Haupterschließungsstraße beträgt 30 Prozent, bei den Parkstreifen werden 50 Prozent fällig.

In Wuppertal wird laut Satzung zwischen Anliegerstraßen, Haupterschließungs-, verkehrs- und Geschäftsstraßen unterschieden. Außerdem gibt es noch die Kategorien verkehrsberuhigte Bereiche, Plätze, Fußgängergeschäftsstraßen und sonstige Fußgängerbereiche. Bei Anliegerstraßen gilt je nach Maßnahme ein Anteil zwischen 60 und 25 Prozent. Bei Hauptverkehrsstraßen sind es fünf bis 50 Prozent. Bei der Berechnung der Beiträge wird nach der Satzung auch die Größe der Grundstücke und die Geschosse der anliegenden Häuser berücksichtigt.

Harald Schledorn, Referent für kommunale Abgaben, arbeitet seit 22 Jahren für den Bund der Steuerzahler. Fast jeden Tag setzt er sich mit Beschwerden von Anliegern auseinander, die ihre Beteiligungsbeiträge an Straßensanierungen nicht hinnehmen wollen. Die Aussage, dass die Kommunen dazu verpflichtet sind, die Anlieger bei Straßenbauangelegenheiten zur Kasse zu bitten, entkräftet er: „Im Kommunalabgabengesetz steht, dass die Städte und Gemeinden Straßenbaubeiträge erheben sollen und nicht müssen.“ Stärkungspaktkommunen wie Schwerte, die nicht in der Lage seien, ihren Haushalt aus eigenen Kräften auszugleichen und Geld vom Land erhalten, „sehen sich gezwungen, die Bürger mit ins Boot zu holen“.

Bei einer Hauptgeschäftsstraße könne die Stadt Schwerte die Anlieger stärker an den Kosten beteiligen, da sie für Ziel- und Quellverkehr sorge. „Geschäftsinhaber profitieren auf der einen Seite, Kunden auf der anderen Seite. Der Nutzen für die Anlieger ist deutlich größer als bei einer Hauptverkehrsstraße“, erklärt Schledorn. Dass womöglich der Kreis Unna die Neubewertung der Bahnhofstraße in Schwerte vorangetrieben hat, sei Spekulation.

Der Städte- und Gemeindebund empfiehlt seinen Mitgliedern Anliegerbeteiligungen zwischen 40 und 70 Prozent bei der Fahrbahnerneuerung von Hauptgeschäftsstraßen. „Wir raten den Kommunen, dass sie sich am unteren Rand orientieren. Doch es bleibt eine Ermessenentscheidung des jeweiligen Stadtrates, die Beiträge festzulegen“, sagt Schledorn.

Der Experte rät den Betroffenen in Schwerte auf jeden Fall Widerspruch gegen den Beteiligungsbescheid einzulegen. Neben dem juristischen Weg sollte auch politischer Druck aufgebaut werden. „Die Anlieger sollten ihren Landtagsabgeordneten kontaktieren und ihm den Sachverhalt schildern“, rät Schledorn. Bundesländer wie Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg erheben überhaupt keine Beteiligung. Auch Bayern hat kürzlich die Abschaffung der Straßenbaubeiträge beschlossen. „Durch die Anliegerbeteiligung sanieren die Kommunen ihre Haushalte auf dem Rücken der Anwohner“, kritisiert Schledorn. In Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen halte er die Beteiligung für überholt.