Wuppertal. „Klimapaket reicht in Summe bei weitem nicht aus“
Wuppertal · Gastbeitrag Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut kritisiert die viel zu niedrigen Preise für CO2-Emissionsrechte im nationalen Zertifikatehandel.
Der Weltklimarat machte bereits mit seinem Sonderbericht vom 8. Oktober 2018 sehr deutlich, dass die Veränderungen des Klimas weltweit nur noch dann in dem notwendigen Umfang begrenzt werden könnten, sofern jetzt schnell und konsequent gehandelt werde. Dafür bedürfe es allerdings Maßnahmen in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß – und das über Jahrzehnte. Klimaschutz ist demnach kein Selbstläufer.
Die Staatengemeinschaft hat sich im Dezember 2015 bei der UN-Klimakonferenz in Paris dazu bekannt ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich aktiv am Klimaschutz zu beteiligen. 194 Staaten reichten dafür vor vier Jahren die sogenannten INDCs ein – auch Intended Nationally Determined Contributions oder geplante national festgelegte Beiträge genannt. Damit verpflichteten sie sich ihre klimarelevanten Emissionen freiwillig zu verringern und haben konkret beschrieben in welchem Umfang sie dies umsetzen wollen. Die Staaten vereinbarten zudem, ihre selbst definierte Zielsetzung kontinuierlich zu überprüfen (Überprüfungsmechanismus) und in regelmäßigen Abständen nachzubessern. Ein erstes Nachschärfen dieser Ziele steht Ende 2020 bei der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow an.
Zwar müssen die in Paris 2015 erzielten Ergebnisse angesichts der bis dato mehr als zwei Jahrzehnte stockenden internationalen Verhandlungen als ein großer Erfolg angesehen werde, allerdings reichen die beim Pariser Klimagipfel getroffenen Zusagen bei weitem nicht aus, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die weltweite Erwärmung steigt sehr wahrscheinlich auf über drei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau an – auch, wenn alle Zusagen der Staatengemeinschaft eingehalten werden. Damit verfehlt das Pariser Klimaabkommen sein Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, deutlich.
Bedeutung für die
aktuelle deutsche Klimapolitik
Nach monatelangem Ringen hat das Klimakabinett der großen Koalition am 20. September seine Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 verabschiedet, welches der Bundesrat am 15. November offiziell beschloss. Angesichts der Herausforderungen, die es zu lösen gilt, sind die Ergebnisse des Klimapakets der Bundesregierung jedoch enttäuschend. Das klare Bekenntnis zu einem wirkungsvollen Monitoring ist einer der wenigen Lichtblicke des Programms. Die konkrete Ausgestaltung wird zeigen, ob die vorgesehenen Nachsteuerungsmechanismen funktionieren. Das Klimapaket ist insgesamt aber zu kleinteilig und in seiner Wirkungskraft begrenzt. Trotz vieler an sich guter Einzelmaßnahmen reichen sie in Summe bei weitem nicht aus, um Deutschlands Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Zudem fehlen für die Zeit danach klare Impulse.
Offensichtlich verließ die Bundesregierung im Rahmen der Erarbeitungsphase der Mut, ein wirklich ambitioniertes Paket vorzulegen und eine umfassende Aufbruchsstimmung zu erzeugen – und dies in einer Phase, in der die Gesellschaft und die Wirtschaft nicht nur dafür bereit sind, sondern diese auch konkret einfordern. Die eindrucksvollen Demonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung der vergangenen Monate sind dafür ebenso ein Beleg wie zahlreiche Aufrufe aus der Wirtschaft nach starken Klimaschutzsignalen und die Bereitschaft der Unternehmen mit klaren Minderungsvorgaben vorwegzugehen. Dies gilt für Unternehmen aus der Energiewirtschaft ebenso wie für die Automobilindustrie oder energieintensive Unternehmen aus der Stahl- und Chemiebranche. Klimaschutzinitiativen dieser Branchen wären noch vor zwei oder drei Jahren undenkbar gewesen.
Besonders ernüchternd im Klimaschutzprogramm sind die viel zu niedrigen Preise für CO2-Emissionsrechte im nationalen Zertifikatehandel von anfangs nur 10 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021. Dieser Einstiegspreis für den Gebäude- und Verkehrssektor ist so gering, dass von ihm keinerlei Lenkungswirkung ausgehen wird können. Dies gilt selbst für den geplanten Anstieg auf 35 Euro pro Tonne CO2 bis 2025. Für den Benzin- oder Dieselpreis bedeutet dies gerade einmal einen Preisanstieg von rund drei Cent je Liter in 2021 und ungefähr zehn Cent je Liter in 2025 – Schwankungen wie sie innerhalb einer Woche heute häufig vorkommen. Hinzu kommt die sozialpolitische Schieflage. Problematisch ist, dass die Mehrbelastung über die Pendlerpauschale ausgeglichen werden soll. Damit werden besser verdienende Haushalte wegen des höheren Steuersatzes relativ gesehen stärker entlastet als einkommensschwächere Haushalte.
Die Bundesregierung versäumt mit den Beschlüssen zum Klimaschutzprogramm 2030, die gesellschaftliche Klimaschutzdynamik zu stärken und verpasst auch die Chance zu einer internationalen Vorreiterrolle zurückzukehren, damit Deutschland sich auf den wachsenden globalen Klimaschutzmärkten als starker Akteur positioniert.
Viele Unternehmen haben inzwischen schon viel konkretere und auch weitgehendere Klimaschutzziele sowie klare Umsetzungskonzepte und sind der Politik damit voraus. Ihre Motive sind klar: Sie wollen ihrer Verantwortung für das Klima ebenso gerecht werden, wie sich zukunftsfest auf den globalen Wettbewerbsmärkten aufstellen, in denen die Währung Klimaschutz immer wichtiger wird. Dabei wissen auch die Unternehmen, dass man nur gemeinsame die notwendigen Gestaltungskräfte auslösen kann. In branchenübergreifenden Initiativen wie IN4Climate.NRW schließen sich Unternehmen und Wissenschaft zusammen und versuchen gemeinsam Impulse für die notwendigen Sprunginnovationen und Akzente für den Aufbau von Infrastrukturen zu setzen. Diese Initiativen benötigen eine engagierte politische Flankierung – politischer Rückenwind aus Berlin bleibt derzeit aber aus.
Die Welt blickt
auf Deutschland
Mit Blick auf die Weltklimakonferenz, die vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid stattfindet, ist die globale Wirkung des nationalen Klimaschutzprogramms leider gering. Denn trotz der Rückschläge in der Klimaschutzpolitik der letzten Jahre schaut die Welt nach wie vor auf Deutschland. Zu zeigen wie Transformationsprozesse erfolgreich gestaltet werden können ist notwendig und wird ohne Zweifel weltweit Nachahmer finden.
Der erfolgreiche Ausstieg aus der Kohleverstromung ohne die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden, ist dafür nur ein Beispiel. Mit einem ambitionierten Klimaschutzprogramm würde Deutschland außerdem eine Innovations- und Investitionsdynamik erzeugen können, wovon die deutsche Wirtschaft sowie die wachsenden Klimaschutzmärkte profitieren würden. Sinnvoll ist zudem sich mit anderen Vorreiterstaaten zusammenschließen und auf internationaler Ebene die Kräfte bündeln. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass die Weltklimakonferenz auch Deutschland zum schnellen Nachsteuern des Klimapakets ermutigt.