Bravorufe für den „Rain Man“
Thorsten Hamer begeisterte im Leo-Theater mit seiner Bühnenversion des Filmklassikers.
Langerfeld. „Charlie — Oberboss.“ Etwas gewöhnungsbedürftig war der Anblick am Freitagabend für Filmkenner im Leo-Theater schon: Thorsten Hamer als „Rain Man“ überragt bei der Premiere seinen neuen „Oberboss“ Charlie Babbit (Jan Schulte) um Haupteslänge. Doch dies war schnell vergessen — denn Thorsten Hamer und Jan Schulte lieferten in den Hauptrollen eine wahre Glanzleistung ab. Das gilt umso mehr, als die beiden doch in die übergroßen Fußstapfen von Dustin Hoffman (Hamer) und Tom Cruise (Schulte) zu treten hatten.
Hamer und Stephan Bleck gelingt es inszenatorisch mit 15 Bühnenbildern und 30 jeweils passend zur Szene tapezierten Stellwänden, die Spielorte des berühmten Films „Rain Man“ von 1988 überzeugend auf die Bühne zu bringen. So wird die Geschichte über die sich entwickelnde, ungewöhnliche Beziehung des anfangs gefühlskalten Autohändlers Charlie Babbit zu seinem autistischen Bruder Raymond für die Bühne glaubhaft "on the road" adaptiert — allerdings übertragen ins Jahr 2008. Der Plot ist im Grunde derselbe wie im Film: Charlie entführt seinen Bruder aus der Klinik, um so Zugriff auf die millionenschwere Erbschaft zu erhalten, die beider Vater dem Bruder hinterlassen hat.
Auch die meisten Szenen des oscar-prämierten Dramas bleiben erhalten, doch die Anbindung an die heutige Zeit bringt manch kleine Änderung mit sich, die das Publikum im nahezu ausverkauften Haus erfreute. Jan Schulte gibt den Yuppie Charlie weitaus aggressiver und mit moderneren Kraftausdrücken um sich werfend als das 80er-Jahre-Vorbild — und wird so einem unter Druck stehenden „Boss“ unserer Finanzkrisen-Zeit gerecht.
Auch das Zusammenspiel zwischen der enormen Präsenz Hamers, der seine wohl herausforderndste Rolle mit Bravour meistert, und Jan Schulte funktioniert hervorragend. Die kleinen Nebenrollen können daneben kaum bestehen — ausgenommen Julia Streich als Charlies Verlobte Susan (im Film: Susanna), die der Figur zwar einen steiferen, dennoch überzeugenden Charakter verleiht. Auch die Humorschiene, die der Adaption eine komödiantischere Nuance gibt, kommt gut an — ohne dass die leiseren und traurigen Töne ihre Wirkung verlieren. So waren einhellig gerührte „Ohs“ bei der berühmten „Tanzszene“ zu hören — und es gab manch feuchtes Auge beim ergreifenden Schluss der Geschichte.
Am Ende sprachen begeisterte Bravo-Rufe und lang anhaltender Applaus des Publikums für sich. Hamer wiederum dankte seinem Team, das in fünf Wochen täglicher Probenarbeit die gelungene Bühnen-Adaption des „Rain Man“ verwirklicht hat.
Bühnenbild: 5 von 5
Ensemble: 4 von 5
Regie: 5 von 5