Kultur Geplante Ausstellung mit Beckmann und Picasso – ein Gipfeltreffen in Wuppertal
Wuppertal · Das Von der Heydt-Museum bereitet eine Ausstellung vor, die den direkten Vergleich ermöglichen soll – Eröffnung am 17. September.
Begegnet sind sie sich nicht, aber wahrgenommen haben sie sich schon. Max Beckmann (1884 bis 1950) habe Pablo Picasso (1881 bis 1973) als Konkurrenten empfunden, habe auch Neid gefühlt, erzählt Roland Mönig. Der Direktor des Von der Heydt-Museums freut sich auf die wohl wichtigste Ausstellung des Jahres in seinem Haus. Sie widmet sich den beiden Schlüsselfiguren der Moderne, die den „Diskurs über die Möglichkeiten figürlicher Malerei im 20. Jahrhundert“ maßgeblich mitbestimmten. Rund 200 Werke werden dafür im Gebäude am Turmhof zusammengetragen und ab 17. September zu sehen sein.
„Mensch – Mythos – Welt“, der Titel der Ausstellung folgt den zentralen Themen, die Beckmann und Picasso behandelt haben. Eine Art Leitmotiv durch die Ausstellung, die schon lange in den Köpfen der befreundeten Kunsthistoriker Roland Mönig und Reinhard Spieler arbeitete. Die konkreter wurde, als Mönig 2020 nach Wuppertal kam, seit zwei Jahren vorbereitet wird, nun in die finale Phase tritt. Die Idee, betont Mönig, habe Spieler gehabt, der das Sprengel-Museum in Hannover leitet und ausgewiesener Beckmann-Experte ist. Dass sie in dem Jahr Wirklichkeit wird, da Picasso 50 Jahre tot ist, ist willkommenes I-Tüpfelchen – nicht mehr und nicht weniger.
Wichtiger erscheint Mönig die Einbettung der Schau in seine Museumsstrategie, die die wunderbare Sammlung seines Hauses zum Strahlen bringen, seine Stärken zeigen soll, welche Bedeutung es habe, wie es aus der Stadt hervorgegangen sei und in diese zurückwirke. Namentlich die Schauen zu Blauem Reiter und Brücke, zu Zero, Pop und Minimal, die Präsentation figürlicher Skulpturen in Tony Craggs Park Waldfrieden, das noch junge Schaudepot. All das „ein Prolog für die Beckmann und Picasso-Schau“, die erneut beweisen soll, wie sich „die bedeutsame Sammlung in die große Geschichte der Moderne“ einfügt. Und wie sie es, zusammen mit der in Hannover schafft, künstlerische Haltung und Arbeit beider erstmals auf breiter Basis zu vergleichen.
Zwei Schlüsselfiguren
der Moderne
Mit rund 40 Ölgemälden beider Häuser, einigen privaten und öffentlichen Leihgaben (aus Paris, Basel, München und Hamburg) sowie zahlreichen Arbeiten auf Papier und zwei Skulpturen. Dabei haben sich die Nazis alle Mühe gegeben, die Bestände zu dezimieren, indem sie Beckmanns Kunst als entartet erklärten und Picassos Kunst verkauften, um Devisen einzufahren. So auch Picassos „Akrobat und junger Harlekin“, das August Von der Heydt 1911 dem Museum schenkte. Das erste Picasso-Werk, das in eine öffentliche Sammlung kam. 1939 wurde es im Luzerner Auktionshaus Fischer versteigert. Mit dem Erfolg, dass das Wuppertaler Haus 1945 keine Bilder der beiden Schwergewichte besaß. Drei Bilder Beckmanns („Selbstbildnis als Clown“, „Landschaft bei St. Germain“ und „Golden Arrow: Blick aus dem D-Zug-Fenster“) kamen nur in die Sammlung zurück, weil Von der Heydt sie vor den Nazis in die Schweiz gerettet hatte.
Wer die beiden Künstler vergleicht, entdeckt Gemeinsamkeiten und Unterschiede, malerisch-stilistisch wie thematisch. Eine Linie gibt es nicht. Beckmanns 1915 gemaltes Selbstbildnis zeigt einen „desillusionierten Künstler und Menschen“, der „ eine neue Karriere startet“, während Picassos späte Selbstporträts der 1960er-Jahre von einem „alten Mann“ gemalt wurden, „dessen Batterie immer weiterläuft“. Beide Künstler begannen aus der Haltung des Impressionismus heraus, beide wollten weiter. Beide interessierten sich für die Randfiguren der Gesellschaft. Zugleich entwickelten sich beide stilistisch schon früh auseinander. Während Picassos kubistisches „L’offrande“ ihn 1908 zum Avantgardisten machte, setzte Beckmanns „Große Sterbeszene“ 1906 ein großes Thema spätimpressionistisch um. Als in den 1920er-Jahren der Trend „Retour à l’ordre“ der Avantgarde aus dem Anfang des Jahrhunderts folgte, näherten sich beider Malweisen an. Beckmanns „Luftakrobaten“ (1928) und Picassos „Famille au bord de la mer“ (1928) sind formal ähnlich. Zur gleichen Zeit schufen sie formal völlig unterschiedliche Stillleben.
Beckmann und Picasso waren Zeitzeugen zweier Weltkriege. Der Deutsche erlebte 1915 einen Zusammenbruch, wurde vom aktiven Kriegsdienst als Sanitäter freigestellt, verbrachte die Nazizeit im Amsterdamer Exil – seine 1938 entstandene Figur „Mann im Dunkel“ ist ein vorsichtiger, verunsicherter Corpus. Für den Spanier war dagegen Francos Krieg gegen sein Land ein traumatisches Erlebnis – sein 1937 geschaffenes monumentales Werk „Guernica“ beeindruckt bis heute. Formale Ähnlichkeiten wiederum lassen sich im Umgang mit zwei Mythen finden, die sie vor kriegerischem Hintergrund schufen: Beckmanns „Die Messingstadt“ entstand 1944 im Exil und Picassos „Die Sabinerinnen“ 1962 während der Kubakrise. Beckmanns Frauenbilder dagegen sind eher rätselhaft, Picassos sinnlich, erotisch und provozierend.
Zwei Künstler, die in ihrer Auseinandersetzung mit der gegenständlichen Malerei mal ähnlichere Lösungen, mal gegensätzliche, stets künstlerisch spannende und wirkmächtige fanden. Der direkte Vergleich in der Ausstellung dürfte spannend werden. Mönig: „Sie ist wie eine Versuchsanordnung, bei der zwei starke Künstlerpersönlichkeiten in ein Reagenzglas gesteckt werden: Wir wissen nicht, was rauskommt, was zwischen ihnen passiert und mit dem Publikum.“