Ein Künstler – zwei Kulturen

Ismail Çoban feiert am 1. Januar seinen 65. Geburtstag.

Wuppertal. Als Ismail Çoban 1969 von Selb in Oberfranken nach Wuppertal kommt, muss er erst einmal Hochdeutsch lernen. Denn in seinem sechsmonatigen Praktikum bei der Firma Rosenthal hat sich der Türke den fränkischen Zungenschlag angeeignet, der nicht so recht ins Bergische Land passt.

Nach Wuppertal kommt der 24-Jährige, weil er dort an der Werkkunstschule sein Studium fortsetzen kann. Acht Semester hat er in Istanbul bereits Kunst studiert. In Wuppertal startet er im fünften Semester, kann bald das siebte überspringen und macht dann sein Diplom.

Doch der Anfang ist schwierig. Denn erstmal hat der Student keine Wohnung und keinen Job. "Da habe ich mehrere Nächte auf einer Parkbank geschlafen", erinnert er sich. Doch dann findet er Arbeit in einer Maschinenfabrik in Sonnborn. Tagsüber studiert er, von 16 bis 22 Uhr schuftet er in der Härterei.

Heute lebt Çoban mit seiner Frau Andrea und drei Söhnen in einem Atelier- und Wohnhaus am Taunusweg in Cronenberg und ist ein international renommierter Künstler. Am Neujahrstag feiert der Wahl-Wuppertaler seinen 65. Geburtstag: "Ich würde wieder denselben Weg gehen und Künstler werden. Doch man muss sich ernsthaft dafür entscheiden und hart arbeiten."

Nach dem Studium ist Çoban zunächst als Werbegrafiker tätig. 1973 zeigt er erstmals eine Ausstellung in Wuppertal. Damit steht für ihn fest, dass er freier Künstler wird. Seine Schwerpunkte sind Malerei und Bildhauerei. Aber auch Holzschnitte, Radierungen, Zeichnungen und Aquarelle fertigt er an. In seinen Arbeiten erzählt er Mythen und Geschichten der Türkei und befasst sich mit den Themen Begegnung und Verständigung. Dicht beieinander stehende Personen, Gesichter in Reihungen und große Hände - das sind typische Motive seiner Werke.

Schon im Jahr 1986 ist Çoban so erfolgreich, dass er zeitgleich zu einer Schau in Cronenberg acht weitere Ausstellungen von Flensburg bis Zürich präsentiert. Auch in der Türkei ist der Künstler bekannt und geschätzt. Im kommenden Frühjahr eröffnet in seiner Geburtstadt Çorum eine Fakultät der schönen Künste mit Çoban als Gründungsprofessor.

Das gesellschaftspolitische Engagement ist für den Cronenberger eine wesentliche Aufgabe als Künstler. Deshalb gründet er im Jahr 2006 die Ismail-Çoban-Stiftung, die sich für den Austausch zwischen den Kulturen und für die Förderung junger Künstler einsetzt. Für seine Projekte ist Çoban oft auf Reisen.

"Wenn ich unterwegs bin, dann sehne ich mich nach Wuppertal", gesteht er lächelnd und fügt hinzu: "Die Türkei ist natürlich auch meine Heimat. Es ist ein großer Reichtum, wenn man zwei Kulturen in sich trägt."