Wuppertaler Meisterwerke aus dem Von der Heydt-Museum Eine seltene Kombination von Figurengruppen und Raumsituationen
Seit Mitte der 20er Jahre schuf Oskar Schlemmer komplexere Kompositionen. Mit der „Zwölfergruppe mit Interieur“ besitzt das Von der Heydt-Museum ein Meisterwerk dieser Zeit.
Das künstlerische Wirken von Oskar Schlemmer (1888-1943) ist eng mit der Institution des Bauhauses verbunden. Ab 1921 zunächst am Bauhaus in Weimar, dann von 1925 bis 1932 in Dessau fand Schlemmer Möglichkeiten, mit neuen künstlerischen Ideen zu experimentieren. Schlemmer leitete als Formmeister jeweils zeitweilig die Werkstätten für Wand-, Metall- und Holzarbeiten sowie die Bühnenwerkstatt und gab Aktzeichenkurse. 1928 übernahm er das Thema „Der Mensch“ als obligatorisches Unterrichtsfach.
Ein wichtiger Beitrag Schlemmers zur Bauhaus-Kunst besteht darin, dass er die verschiedenen Bereiche des künstlerischen Schaffens in seiner Vorstellung einer umfassenden, „totalen“ Kunst miteinander vereint hat. So war er selbst in einer Person Maler, Wandgestalter, Plastiker, Zeichner, Graphiker, Bühnengestalter und Lehrer. Sein besonderes Interesse galt der Darstellung der menschlichen Figur und ihrer Beziehung zum Raum.
Seit Mitte der 20er Jahre, besonders von 1929 bis 1932, schuf Schlemmer zunehmend komplexere Figuren- und Raumkompositionen. Mit dem Gemälde „Zwölfergruppe mit Interieur“ aus dem Jahr 1930 besitzt das Von der Heydt-Museum ein bedeutendes Beispiel aus dieser Werkreihe. Es ist ein herausragendes Beispiel für eine äußerst seltene Kombination von Figurengruppen und Raumsituationen, zusammengefasst in einem einzigen Bild.
Anlehnungen an
den Konstruktivismus
Die Bildkomposition zeigt eine spezielle Konstellation, bei der Haltung, Stellung, Wendung und Bewegung der Gestalten bedeutsam im Verhältnis zum Raum erscheinen. Man sieht durch eine Treppe unterteilte Räume, in denen sich mehrere Figurengruppen bilden. Links verstellt ein Vorhang die Sicht in einen Raum mit einer Türe, rechts führt Schlemmer den Blick bis zu einem Fenster. Die Mystik des Raumes erzeugt Schlemmer durch die Reduktion auf geometrische Elemente. Das Bild gehört zu einer Gruppe von großen vielfigurigen Kompositionen, die Schlemmer um 1930, als er den dritten Wandzyklus für das Folkwang Museum in Essen vollendete, während seiner Tätigkeit an der Breslauer Akademie malte.
Schlemmers geometrisierende Formensprache zeigt Anlehnungen an den Konstruktivismus. Parallel zu den Tendenzen der Zeit formulierte Schlemmer ein neues Menschenbild, durch das er seiner metaphysischen Weltanschauung Ausdruck gab.
Das Bild, das noch bis 23. Februar in unserer Ausstellung „Oskar Schlemmer – Komposition und Experiment: Das Wuppertaler Maltechnikum“ zu sehen ist, wurde 1956 für unsere Sammlung erworben. Mittlerweile besitzt das Von der Heydt-Museum drei wichtige Gemälde von Schlemmer sowie ein Konvolut von rund 300 Zeichnungen und Skizzen. Schlemmer verbrachte seine letzten Jahre in Wuppertal, wo er sich als von den Nazis „verfemter“ Künstler zurückgezogen hatte. In der Lackfabrik von Kurt Herberts arbeitete er als „Professor für maltechnische Forschungsvorhaben“ und erforschte die Anwendung moderner Lacktechniken, auch in künstlerischen Bereichen.