Raum 9 Vom Umgang mit Politik im Museum
Ein Raum in der aktuellen Blockbuster-Ausstellung im Von der Heydt-Museum reflektiert den Umgang mit gesellschaftsrelevanten Themen.
Museen arbeiten nicht im luftleeren Raum, „sie stehen im Mittelpunkt der Gesellschaft, aus der Kräfte auf sie einwirken, wie sie umgekehrt auf die Gesellschaft einwirken“, sagt Museumsdirektor Gerhard Finckh. Und weil dem so ist, widmet er in der aktuellen „Blockbuster - Museum“-Ausstellung im Von der Heydt-Gebäude am Turmhof, die der Museumsarbeit nachspürt, einen ganzen Raum den Themen „Kunst, Politik, Geschichte, Ethik und Religion“, zeigt exemplarisch, wie Museen sich hier positionieren können.
Wie stellt ein Museum das Thema Politik dar? Finckh hat sich für zwei große Bilder von Sabine Moritz entschieden - einen Flugzeugträger und eine Parade zum Nationalfeiertag der Franzosen am 14. Juli mit Kampfhubschraubern über einer Häuserflucht. Weil es in der Politik, so der Kurator, eigentlich immer um Krieg und Frieden gehe. Verantwortlich für Kriege sind wiederum Menschen. In Deutschland kommt an dieser Stelle unweigerlich Adolf Hitler ins Spiel. Der liegt als großer Bronzekopf - von Arno Breker, dem wichtigsten Bildhauer der Nationalsozialisten, geschaffen - auf einem Sockel. „Wir haben ihn dorthin gelegt, weil er ja ein gestürzter Diktator ist“, erklärt Finckh.
Brekers Hitlerkopf bleibt
nicht unkommentiert
Im Dritten Reich habe er wohl im Eingangsbereich des Museums gestanden, sei im Krieg von einer Granate durchschossen worden. Assoziationen an ein Denkmal des irakischen Diktators Saddam Hussein werden damit geweckt, das 2003 vom Sockel gestoßen wurde. „Hier zeigt sich, wie direkt Politik und Museum verbunden sind.“ Finckh lässt den Hitler-Kopf aber nicht unkommentiert.
Dieser erhält ein Gegengewicht: Diagonal ihm gegenüber im Raum steht in einem Glaskasten das Lieblingsstück des Museumschefs, eine kleine Holzfigur, die der Münchener Bildhauer Karl Röhrig 1933 schuf. Sie stellt einen Großbürger dar, der im pelzbesetzten Mantel, die Börsenkurse in der Tasche, gerade für die „Winterhilfe“ gespendet hat. Eine Karikatur der braunen Parteigänger und Steigbügelhalter der Nazis, eine wagemutige Aussage eines Künstlers, der sich nicht mit dem Regime einließ.
Und weil es im Dritten Reich auch eine schweigende Mehrheit gab, hängt in dem Raum ein großes Gemälde der ukrainisch-polnischen Künstlerin Anna Bilinska Bbohdanowicz. Darauf ein sitzender Hausmeister, die Post im Schoß, die Zeitung in der Hand. „Das Bild passt wunderbar, auch wenn es schon 1892 entstand. Eine Symbolfigur für alle diejenigen, die sich Gedanken machen, einer, der betroffen ist, entweder selbst aktiv oder passiv in einem System agiert.“ Und ein Bild, das die Bedeutung der Medien für die Gesellschaft bezeugt.
Der Kruzifixstreit in Bayern
als thematische Steilvorlage
Ein zentrales Thema, das die Gesellschaft an ihr Museum heran trägt, ist natürlich auch die Religion. Finckh erinnert hier an die aktuelle Kruzifixdiskussion in Bayern, die entbrannte, als Ministerpräsident Markus Söder das christliche Symbol in öffentlichen Gebäuden vorschrieb. In einer Zeit, in der zunehmend andere Religionen hierzulande gelebt werden, während die christlichen Religionen auf dem Rückzug sind. In einer Ecke des Ausstellungsraums hängt dazu ein Werk von Martin Kippenberger: Eine mit einem gekreuzigten Frosch bemalte Krawatte, die an einem Kreuz befestigt ist.
„Ist das Blasphemie? Darf man das machen?“, fragt Finckh, spielt mit der Hängung bewusst auf den bayerischen Herrgottswinkel an, der in Russland sicherlich anders heißt, aber gleichermaßen genutzt wird. Der Maler Kasimir Malewitsch hängte deshalb Anfang 1915 als Kritik an der Religion sein gemaltes schwarzes Quadrat ebendahin.
Weitere Themen, die im Ausstellungsraum angesprochen werden, sind der alltägliche Rassismus, der Feminismus und die #Metoo-Debatte. Ebenso einfach wie beeindruckend angerissen werden sie durch Exemplare von „Die zehn kleinen Negerlein“ und vom „Struwwelpeter“.
Geballte Anregungen für Gedanken, Gespräche - und Kräfte, die wirken.