Klanginstallation Wenn Maschinen in der Wuppertaler Oper singen
Klanginstallation von Nathalie Brum präsentiert Oper von ungewohnter Seite.
Können Maschinen singen? Zumal, wenn sie in einem Opernhaus beheimatet sind? Ein Opernhaus sei wie ein Zauberkasten, der für einen Moment eine andere Welt eröffne. Um das zu bewerkstelligen, benötige sie ähnlich wie eine Fabrik Unmengen an Maschinen, Energie und Personal. Erklärt Nathalie Brum. Die Klangkünstlerin und Architektin arbeitet gerade an einem Projekt, das die Maschinen der Wuppertaler Oper zum Singen bringt. Ende August können die Wuppertaler die Klanginstallation „Gesang der Maschinen“ vor Ort selbst erleben. Wie geplant – und fast unberührt von den Schäden des Unwetters Mitte Juli.
Die 33-jährige Architektin Brum hat sich schon seit vielen Jahren mit Musik beschäftigt, kam dabei zunehmend mit atonaler, experimenteller Musik in Berührung. Sie lernte Klangkunstprojekte kennen, ein Nischenbereich, den sie gründlicher erkunden wollte. An der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf entdeckte sie den interdisziplinären Masterstudiengang „Klang und Realität“, der beruflich unterschiedlich orientierte Menschen zu einem spannenden Austausch zusammenführt, ohne dass sie ein Musikinstrument beherrschen müssen.
2019 bewarb sie sich dort mit einem Langzeitprojekt, das Klänge hinter den Bühnen von Spielstätten erkunden sollte. Auf die Idee dazu hatte sie ihre Mitwirkung bei der Sanierung der Kölner Oper gebracht. Dort hatte die Architektin erfahren, dass ein immenser planerischer und technischer Aufwand betrieben wird, um die zum Teil ziemlich lauten Geräusche zu unterbinden, die Maschinen machen, wenn sie das Geschehen auf der Bühne technisch ermöglichen. Vom fahrbaren Orchesterpodium, über die Klima- und Belüftungszentrale bis zum Batterie- und zum Dimmerraum. „Eben alles, was für die Infrastruktur einer Oper essentiell ist. Ich habe mich gefragt, wie diese Maschinen im Betrieb klingen“, erzählt sie. Ob ein Operngebäude eine eigene Stimme, eine eigene Seele habe.
Sie nahm Kontakt mit Musiktheatern in Bonn, Essen, Düsseldorf und Wuppertal auf. Hier lernte sie Mario Engelmann kennen, der technischer Direktor in dem Gebäude in Barmen ist. Er eröffnete ihr die riesige Welt und ihre verborgenen Strukturen, die neben und hinter Bühne und Zuschauerraum exisieren.
Brum erlebte hier Aufführungen, Proben oder auch Leerzeiten mit, nahm diese auf. Der noch offene Projektprozess entwickelte einen Sinn, eine Klang-Installation in der Oper erschien immer realistischer. Im Gespräch mit Intendant Berthold Schneider und Dramaturgin Sina Dotzert wurde sie im September 2020 beschlossen. Brum stellte die finanzielle Förderung durch Kunststiftung NRW, Musikfonds, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Wuppertaler Kulturbüro sicher und legte los.
Mehr als 100 Klangdateien
ausgewertet und arrangiert
Vom Sommer 2019 bis ins Frühjahr 2021 machte sie Aufnahmen, erlebte unter der Bühne die lebhafte und menschenreiche „La Bohème“-Aufführung mit wie danach Menschenleere und Ratlosigkeit, die im Frühjahr 2020 durch Corona hereinbrachen. Über hundert Klangdateien kamen schließlich zusammen, die zwischen einer Minute und zwei Stunden lang sind. Brum wertete sie aus, schuf daraus eine Komposition, indem sie die Aufnahmen neu arrangierte, teilweise filterte, miteinander kombinierte – „wie eine Bildhauerin, die einen Block vor sich hat und herausarbeitet, was drinsteckt“.
Über mehr als 19 Lautsprecher wird der Maschinen-Gesang an zwei Tagen in die Foyerräume des Operngebäudes und seine Architektur der Nachkriegsmoderne gespielt. Die Schäden der Flutkatastrophe bedingen nur geringe räumliche Modifizierungen. Dazu werden über Beamer Videos gezeigt, die die Klangkünstlerin zusammen mit Alexander Borowski hinter der Bühne drehte. Sebastian Wulff und Raphael Zöschinger tragen Visuals bei, die abstrakte Symbole aus der Gebäudetechnik verwenden. Die Installationsbesucher tauchen im Rahmen von Führungen in eine akustische Landschaft aus verborgenen Klängen ein. Indem „die Grenze zwischen dem Bereich, den das Publikum erlebt, und dem Bereich des internen Betriebs temporär aufgelöst wird“, wird „das Unsichtbare sichtbar, das Nichthörbare hörbar“, werde „die Oper auf Links gedreht“, erklärt Brum.
Projekt geht auch nach
der Abschlussarbeit weiter
Nach 45 Minuten endet eine Führung. Für Nathalie Brum aber geht das Projekt auch nach der als Abschlussarbeit im Rahmen ihres Studiums gewerteten Installation in Wuppertal weiter. „Ich möchte auf jeden Fall meine Suche nach verborgenen Klängen und Infrastrukturen künstlerisch fortsetzen.“