Konzert in Wuppertal Lang Langs Interpretation hat Stärken und Schwächen

Der Star der Klassikszene hat am Montagabend Bachs Goldberg-Variationen gespielt.

Lang Lang spielte am Montagabend in der Historischen Stadthalle.

Foto: Peter Wieler

Lang Lang muss man sich als glücklichen Menschen vorstellen. Der Pianist spielt weltweit in ausverkauften Konzerthäusern. Zu seinen Zuhörern gehören Monarchen, US-Präsidenten und der Papst. Selbst eine Sehnenentzündung hat er gut überstanden. Sein Spiel hat dadurch nichts an Brillianz eingebüßt. Davon konnten sich alle überzeugen, die Lang Lang am Montagabend in der Stadthalle erlebten. Nachdem geklärt war, dass das Konzert trotz Coronavirus-Gefahr stattfinden konnte, füllte eine fast unübersehbare Menge den Großen Saal bis hinauf zur Galerie und zum Chorpodium.

Wahre
Begeisterungsstürme

Mit dem Wuppertaler Gastspiel folgte der 37-Jährige dem Ruf von Franz Xaver Ohnesorg, dem Intendanten des Klavier-Festival Ruhr. Schon 2003 spielte er sein erstes Festival-Konzert. Beim 14. Auftritt im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr konzentrierte er sich auf die Goldberg-Variationen von Bach und erntete mit seiner Interpretation wahre Begeisterungsstürme.

Wird dieses Werk genannt, fällt dem Klassikfan schnell Glenn Gould ein. Es mag sogar Leute geben, die denken, dass die „Goldberg-Variationen“ von Gould seien – so maßgeblich und populär ist die Aufnahme, die der kanadische Pianist 1955 veröffentlichte. Von daher stellte sich Lang Lang einer doppelten Herausforderung. Denn auch für sich genommen ist die „Clavier-Übung, bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veränderungen“, so der Originaltitel der „Goldberg-Variationen“, ein Gipfelwerk. Auf dem Grundthema baut der Komponist 30 „Veränderungen“ auf. Es gibt freie Toccata-Nummern, elegante Charakterstücke und streng mehrstimmige Kanonformen.

Die puristische, am Cembalo orientierte Spielweise von Gould muss man nicht mögen. Doch auch die neo-romantische Klanggestalt, die für Lang Lang typisch ist, hat Stärken und Schwächen. Stimmig wirkte sie bei Schumanns „Arabeske“, die den „Goldberg-Variationen“ voranging. Hier widmete sich der Pianist dem Wechselspiel von fließender Melodik und leidenschaftlichen Höhenflügen. Mustergültig war auch der Einstieg in das Hauptwerk. Fein ziseliert trug er die Arienmelodie vor. Doch mit der ersten Variation änderte sich das Bild. Was zuvor durchhörbar war, gewann mächtig an Fülle und Breite. Die großzügige Pedalisierung verstärkte den Höreindruck noch. Als wolle die Musik ab jetzt nur noch Bedeutsames von sich geben.

Sechzehntelläufe
verschwammen

Dieser monumentale Angang traf bei vielen Stücken ins Schwarze. Etwa bei der Nr. 15, die den ersten Teil der „Clavier-Übung“ abrundet. Da bewegte sich der Pianist souverän durch den in Moll gehaltenen Kanon und glänzte mit markanten Seufzermotiven. Überhaupt waren die Finessen des musikalischen Materials – die Triller und Vorhalte, Läufe und Arpeggien – bei ihm in besten Händen. Nur hätten die schlanken Töne zu manchen Nummern besser gepasst. Sechzehntelläufe verschwammen, anstatt zu strahlen und zu pulsieren.

Kontrastwirkungen erzeugte Lang Lang vor allem durch Tempowechsel. Dramaturgisch geschickt bildete er Dreiergruppen, die immer wieder neu den Bogen schlugen – von in sich ruhenden bis ungebremst vorpreschenden Stücken. Die Kehrseite war allerdings, dass sich so kein Gesamtzusammenhang einstellen wollte.

Wer bei den Details blieb, hatte immer wieder Grund zur Freude. So bei der Variation 27, die sich statt der üblichen drei auf zwei Stimmen beschränkte. Ebenso beim „Quodlibet“, das zwei Volksliedmelodien verquickt und das der Pianist angemessen leicht nahm. Es war der ideale Übergang zur Reprise der Arie.