Markus Haase: Ein Schauspieler lotet die eigenen Grenzen aus
Der Darsteller beweist viel Humor — und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Wuppertal. Er ist ein witziger Typ — im allerbesten Sinne. Wenn Markus Haase ohne Punkt und Komma aus seinem Leben erzählt, launig von einer Anekdote zur nächsten gelangt und sich über seine Erfolge freut, ohne die Niederlagen zu vergessen, ist der Schauspieler kaum zu bremsen. Schlagfertig, offen und bodenständig wirkt der hochgewachsene Mann, der Humor offensichtlich großschreibt und kein Problem hat, auch über sich selbst zu lachen.
Wie er zur Schauspielerei gekommen ist? „Ich konnte nicht rechnen — sonst wäre ich Top-Manager geworden.“ Haase grinst. „Nein, im Ernst. Ich konnte Deutsch besser als Mathe.“ Als Darsteller hat er seine Hausaufgaben anscheinend gemacht — nicht jeder Kollege kann schließlich behaupten, nach der Schauspiel-Schule direkt den Sprung ans Wiener Burgtheater geschafft zu haben.
Doch Haase wäre nicht Haase, wenn er nicht ganz uneitel die Vorgeschichte zum Besten gäbe: Dass erst das 13. Vorsprechen an einer Schauspielschule geklappt hat, verschweigt er genauso wenig wie die Reaktion der Dozenten. „Das war ziemlich ernüchternd“, verrät der gebürtige Bochumer mit einem passenden Augenzwinkern. „Zu den ersten Vorsprechen bin ich buchstäblich blauäugig gefahren.“ Die Antwort derer, die ihn aufnehmen sollten, fiel denn auch eindeutig aus. „Eine Dozentin meinte: ,Sie sind ja süß!’ Sie sagte, dass ich eine gute Körperlichkeit mitbrächte. Aber dass ich nicht spielen könne.“ Haases Antwort war ebenso direkt: „Wenn ich das könnte, wäre ich ja nicht hier . . .“
Doch Humor allein ist kein Garant für Applaus — zumindest dann nicht, wenn Schauspiel-Lehrer die Daumen nach oben oder unten halten. Und so holte er das Versäumte zügig nach — mit dem nötigen Ernst. Und mit Erfolg: In Stuttgart wurde er angenommen — inzwischen bestens vorbereitet und beflügelt von einem Schlüsselerlebnis. „Ich habe am Schauspielhaus Bochum als Statist angefangen. In 40 Vorstellungen stand ich mit Armin Rohde auf der Bühne — und jedes Mal habe ich eine Gänsehaut bekommen, wenn er als Mackie Messer in der ,Dreigroschenoper’ das Lied am Galgen gesungen hat.“ Der Wunsch, ihm nachzueifern und mehr zu sein als ein Statist ohne Text, ließ ihn nicht los.
Die Eltern hingegen waren von den Ambitionen des Sprösslings weniger begeistert: „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie.“ Was mit Blick auf seinen Berufswunsch keine einfache Ausgangssituation war, wie Haase, der inzwischen selbst Familienvater ist, unumwunden zugibt. „Eine Banklehre wäre ihnen lieber gewesen. Ich habe aber erwidert, dass auch die Schauspielerei ein ,anständiger’ Beruf ist. Dass er nicht anständig bezahlt wird, ist ja nicht meine Schuld.“
Trotzdem hörte er (anfangs) auf die Eltern. „Ich habe zunächst Geografie und Sozialwissenschaften studiert — allerdings mehr alibihalber.“ Heute ist die Familie „stolz wie Oskar“. Aus gutem Grund: „In Stuttgart wurden acht Bewerber genommen. 800 hatten vorgesprochen. Das war wie ein Lottogewinn.“
So wird der witzige Typ am Ende ganz ernst. „Der Job hat viel mit Mut zu tun“, betont er. „Man muss die eigenen Grenzen überschreiten, sich öffnen und die Figuren an sich heranlassen. Sonst kann man sie nicht glaubhaft darstellen.“ Verletzlich mache das, andererseits auch zufrieden. Haase zumindest wirkt genauso spritzig wie ausgeglichen. „Ich kann auf der Bühne alle Gefühle herauslassen, manchmal auch die Wut aus der Seele schreien. Andere gehen dafür in Therapie . . .“