Tagung Musik – eine Berufung, die oft mehrerer Berufe bedarf
Der Musikerberuf sei schon immer so gewesen, dass man gut überlegen sollte, ob man ihn ergreife. In der Pandemie sei aber den jungen Menschen konkret vor Augen geführt worden, dass sie Krisen auf ihrem Berufsweg einplanen müssen, sagt Hanna Krieger, die weiß, wovon sie spricht.
Die Konzertsängerin und Gesangsdozentin engagiert sich seit vielen Jahren im Tonkünstler-Verband (DTKV) auf verschiedenen Ebenen für die beruflichen Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen, unter anderem als Vorsitzende des Bezirksverbands Wuppertal /Bergisches Land. Der wiederum den Bundes-Kongress ausrichtet, der am 1. Oktober in der Bergischen Musikschule stattfindet.
Er hat eine lange Tradition, die im Grunde in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann, als sich freischaffende Künstler wie Franz Liszt und Frédéric Chopin etablierten. Damals erkannte man auch, dass man stärker war, wenn man sich zusammenschloss. Erzählt Krieger über die Wurzeln des Verbands. Der arbeitet auf Bundesebene politisch, auf Landesebene in der Fortbildung und kümmert sich auf Bezirksebene um die Mitglieder vor Ort und unterstützt sie. Indem er Schüler-Vorspiele und Konzerte organisiert und indem er den Zusammenhalt fördert, Ausflüge unternimmt, ins Beethovenhaus Bonn oder (demnächst) ins Arp-Museum Bahnhof Rolandseck.
Zirka 45 Mitglieder zählt der Bezirksverband Wuppertal / Bergisch Land: Dozenten von Hochschule und Universität, Leiter der Musikschule, Lehrer an freien und kommunalen Musikschulen, freie Musikpädagogen, hauptamtliche Kirchenmusiker, Orchestermitglieder, Musikwissenschaftler. Oft auch in mehreren Berufen gleichzeitig unterwegs. Vergleichsweise viele mit festen Stellen. Hanna Kriegers eigener Berufsweg bildet keine Ausnahme. Sie studierte Kirchenmusik und danach Gesang, kündigte ihren Job als Kirchenmusikerin erst, nachdem sie sich als Sängerin etabliert hatte. Nach Wuppertal kam sie 1980, um dort wiederum ein festes Arbeitsverhältnis einzugehen: 1982 nahm sie ihre Tätigkeit als Fachleiterin Musik an der Bergischen Universität auf. Arbeitete in dieser Funktion viele Jahre.
Vorträge, Workshops und
eine Podiumsdiskussion
Alle zwei Jahre findet der Bundeskongress statt, der achte wird der erste in Wuppertal sein. Direkt nach dem letzten in Detmold begannen die Überlegungen, vor einem Jahr wurde es konkreter. Mit im Boot die Bergische Musikschule, die Räume zur Verfügung stellt und mit dem „Atelier“ Catering im Haus anbieten kann. Das Kongress-Thema „Künstler und Pädagogen – Künstlerpädagogen“ greift das Grundproblem auf, dass Berufung und Finanzierung des Alltags mitunter schwer auf einen Nenner zu bringen sind. Weshalb viele doppelgleisig arbeiten, als Musiker und Musikpädagogen.
Ein Problem, das sich in der Pandemie verschärfte, aber älter ist. Musikschulen etwa setzen schon länger als Dozenten gerne Honorarkräfte ein. Krieger: „Schon Mitte der 1990er-Jahre haben wir für den Erhalt fester Stellen gekämpft.“ An der Bergischen Musikschule beispielsweise lehren 184 Dozentinnen und Dozenten, der Löwenanteil, 140, freiberuflich, lediglich 44 sind fest angestellt. „„Honorarbeschäftigte müssen in Tarifbeschäftigte umgewandelt werden“, findet Leiter Raphael Amend, der seit 2020 12 umwandeln konnte.
50 Mitglieder haben sich angemeldet. Auf sie wartet ein Programm, das im Vorfeld geäußerte Wünsche bedient. Es gibt drei Vorträge zur beruflichen Standbeinvielfalt, zur wirtschaftlichen und sozialen Situation Freischaffender sowie zur Sinnkrise, die nicht wenigen besonders im mittleren Alter droht. Hinzu kommen zwei Workshops zur Auftrittssituation: „Leistungsdruck und Lampenfieber“ sowie die punktgenaue Leistungsabfrage, wenn auf der Bühne „alles stimmen muss, auch die Kleidung“, erzählt Krieger. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion mit drei Dozenten für die wissenschaftliche und medizinische Seite, die freiberufliche und die pädagogische Seite. „Einen Platz lassen wir für jemanden aus dem Publikum frei.“ Natürlich gibt es auch Musik: Schülerinnen und Schüler , darunter zwei Harfenisten der Bergischen Musikschule, bestreiten zwei Kurzkonzerte.
Alle geeint in der Freude an der Musik, eine Neigung, die sie zum Beruf machen (wollen). Eine freie Entscheidung sei das, betont Krieger. Und sie weiß, wovon sie spricht.