Konzert Orgeltage: Die Königin der Instrumente gibt sich zickig
Beim Konzert in der Stadthalle gab es direkt zwei Aussetzer. Trotzdem bot es hochmusikalischen Genuss.
„Wir müssen durch viel Trübsal.“ So heißt eine Kantate (BWV 146) von Johann Sebastian Bach. Mit diesem Satz hätte auch die Eröffnungsveranstaltung des ersten Teils der diesjährigen Wuppertaler Orgeltage – alias 3. Orgel-Akzent dieser Spielzeit – überschrieben sein können. Denn Organist Vincent Dubois hatte einige Probleme mit der Königin der Instrumente in der Stadthalle.
Die Setzeranlage zickte laut Wolfgang Kläsener, künstlerischer Leiter der Orgeltage. Dabei handelt es sich um eine Spielhilfe, mit der voreingestellte Registraturen aktiviert werden. So können ohne einen Registranten schnell Lautstärke und Klangfarbe geändert werden. Zweimal hörte Dubois deswegen auf zu spielen. Die Orgel wurde aus- und wieder angeschaltet (ein Reset), mit Kläseners Hilfe an Tasten und Knöpfen hantiert, bis man sich zufrieden gab. Das dauerte jeweils ein paar Minuten. „Let’s pray“ (frei übersetzt: Beten wir, dass es klappt), flehte Dubois zu guter Letzt.
Er wurde erhört. Die letzte halbe Stunde des Konzerts konnte er störungsfrei der Musik von Franz Liszt widmen, und zwar der Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos ad salutarem undam“ aus dem ersten Akt von Giacomo Meyerbeers Oper „Le prophéte“ (der Prophet). Ganz ruhig kreierte er zunächst warm-kontemplative Töne, steigerte sie allmählich hochvirtuos zu einer grandiosen Klangpracht, ging mit den Fugenelementen äußerst differenziert um und zog bei der finalen triumphierenden Coda stimmig sämtliche Register.
Der vor drei Jahren zum Titularorganist der Kathedrale Notre Dame de Paris ernannte Organist, der somit Nachfolger berühmter Musiker wie Louis Vierne und Jean-Pierre Leguay ist, begann den Abend mit der Sinfonia aus der oben erwähnten Kantate Johann Sebastian Bachs. Sie beruht auf den Kopfsatz seines Cembalokonzerts in d-Moll (BWV 1052). Bach plagiierte sich bekanntlich oft, indem er seine Kompositionen mehrfach verwendete. Spielerisch leicht führte er dieses Virtuosenstück – eine Tour de Force – mit einer adäquat barocken Klangfarbe wie aus einem Guss auf.
Ein wild-orchestrales
Allegro
Danach ging es in ein Wiener Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett, wo sich zur Zeit Mozarts eine Flötenuhr befand, die Musik von einer Walze abspielte. Dafür schrieb er einige Stücke, darunter die Fantasie in f-Moll (KV 608). Heute gehört sie mit zum Orgelrepertoire. Wild-orchestral gestaltete Dubois das immer wiederkehrende Allegro, das Adagio äußerst zart unter Verwendung des Fernwerks oben unter der Decke des Großen Saals und ließ die Fugenthemen mustergültig in einen Konflikt geraten.
Den Balladencharakter der für Klavier komponierten ersten Rhapsodie in h-Moll aus Opus 79 von Johannes Brahms brachte er klar zum Ausdruck. Dabei ging er mit der romantischen Klangfarbenpracht des Instruments bis hin zur sinfonischen Fülle äußerst kreativ um, arbeitete den musikalischen Gehalt der einzelnen Abschnitte dieses groß angelegten Rondos facettenreich heraus. Außerdem stellte er zwei Abschnitte aus der viersätzigen Orchestersuite „Pelléas et Mélisande“ von Gabriel Fauré vor: Gleich einem geschwind rotierenden Spinnrad spielte er wieselflink das sich drehende Lied in „La Fileuse“. Bei der „Sicilienne“ changierte er mustergültig zwischen Fern- und Hauptwerk, machte so die ihr innewohnende lieblich-wiegende Melancholie deutlich.
Die stehenden Ovationen zum Schluss waren die logische Folge für einen in allen Belangen hochmusikalischen Genuss. Sie mündeten in eine Improvisation, anhand derer Dubois noch einmal mit den reichhaltigen klanglichen Möglichkeiten der Sauer-Orgel aus Höxter spielte.