Kolumne Denken und Machen als freiwillige Leistung

Tine Lowisch vom Freien Netzwerk Kultur über die Art, wie Wuppertal das Engels-Jahr feiert

Tine Lowisch vom Freien Netzwerk Kultur.

Foto: CLAUDIA SCHEER VAN ERP

Heute, vor 125 Jahren starb Friedrich Engels. Ich nehme diesen Tag zum Anlass, höflich nachzufragen, wann wir eigentlich anfangen, Friedrich Engels und seinen 200. Geburtstag in dieser Stadt angemessen zu feiern?

Denn wir sollten diese Chance auch unter den nun veränderten Bedingungen nutzen. Jede andere Stadt auf der ganzen Welt würde dies tun. Und wir haben nicht nur eine fantastische Möglichkeit direkt vor der Nase. Wir haben viele.

Ich nehme das Projekt, das ich am besten kenne, mal als Beispiel. Es ist ein spannendes und voll durchentwickeltes Engels2020-Projekt, das man für den Wiederaufbau eines guten Images dieser Stadt nutzen könnte. Wir hätten da eine echte neue Sehenswürdigkeit auf Lager. Wie Sie wissen, hat mein Mann, der seit 30 Jahren Bildhauer in Wuppertal ist – in dieser ungeschminkten Stadt, die es immer gerne anders macht, die Aufgabe übernommen, die offizielle Engels2020-Skulptur zu denken und zu machen und sie in einen zeitgenössischen Kontext gestellt.

In einem Engels-Jahr, das wir coronabedingt angeblich nicht mehr feiern können? Aber warum eigentlich nicht? Warum, ich zitiere an dieser Stelle aus einem Artikel der Welt-Autorin Christiane Hoffmanns, „verzwergen“ wir dieses Thema derart? Auch sie findet, dass das doch überhaupt nicht sein muss und Engels das nicht verdient hat.

Stellen wir den äußerst attraktiven jungen Kerl, stellen wir die Skulptur, die ein Wuppertaler für Wuppertal geschaffen hat, in den Öffentlichen Raum, denn der Junge muss an die frische Luft, damit man ihn als Wahrzeichen in seiner Stadt besuchen und erleben kann. Erst dann entwickelt sich alles andere wie von selbst.

Es ist doch gar nicht kompliziert. Auch wenn es bisher immer hieß: Je komplizierter etwas gedacht oder gemacht ist, desto spannender ist der lustvolle Versuch, die Struktur spielerisch zu entschlüsseln. Einfaches steht oft unter dem Verdacht, simpel zu sein. Die Komplexität der Ereignisse wird dann gerne als Argument vorgeschoben, denn es ist en vogue, kryptisch zu bleiben.

Dabei liegt der Ariadnefaden als Erzählstrang einer Geschichte leider noch zu oft in den Händen einiger weniger. Und sie geben dieses stark gewebte Band einfach nicht aus der Hand, bis sie es einmal vererben.

Ich finde ja Strukturen, die über Generationen gewachsen sind, ganz gut. Aber nur, wenn sie sich auch ändern wollen. Wenn sie das nicht wollen, ist das etwas verantwortungslos, da sie dann angelegt sind wie Irrgärten, durch die niemand hindurch kommen soll. Und? Ist der Weg als Ziel durch dieses Labyrinth dann ein Vergnügen? An dieser Stelle erlaube ich mir mal zu sagen: Nein, das ist es nicht und sinnlos Kompliziertes ist einfach nur langweilig.

Fortschritt gestalten, indem
man Leistung bereitstellt

Das Einfache, also das Offensichtliche in der geistigen Bewegung unserer Zeit, in dieser Postnormalen, allerdings begeistert mich. Denn es ist im Moment doch glasklar: Wir leben in einer Zeit, in der das Wissen verfügbar ist. Und jeder, der will, kann erfahren, wie etwas zusammenhängt, es wird ja fortlaufend und in jeder Sekunde Information offengelegt und für alle zusammengetragen.

Der Zustand der andauernden Krisen zum Beispiel und auch, wie diese sich bedingen – das kann man herausfinden. Die Algorithmen dazu sind längst entwickelt. Das ist glücklicherweise nicht mehr zu verheimlichen.

Und auch, wenn es sich heutzutage manchmal so anfühlt, als sei man alleine mit seinem Interesse in diesem Irrgarten der Informationen, durch den man sich nur mit Begeisterung in Richtung Ausgang durchschlägt, sind wir im Grunde alle, auch die Verblichenen unter uns, eigentlich schon immer gemeinsam auf dem Weg gewesen.

Denn an einem wie auch immer gearteten Fortschritt kann man aus meiner Sicht nur effektiv mitgestalten, wenn man seine Leistung freiwillig zur Verfügung stellt, wie es Künstler tun. Dazu kann einen allerdings keiner beauftragen.

Wissen Sie was, ich will einfach nicht mehr wissen, wer etwas erdacht, oder wer etwas gemacht hat. Ich möchte einfach nur noch, dass das Erdachte gut gemacht ist.