Kultur Das Ringen um die richtige Form

Gabriele Münters „Landschaft mit Raureif“ gehört seit 1961 zur Sammlung.

Die „Landschaft mit Raureif“ von Gabriele Münter.

Foto: Von der Heydt-Museum/antje zeis-loi medienzentrum wup

An der ersten Ausstellung des „Blauen Reiter“ in München (1911) waren neben 43 Künstlern auch 14 Künstlerinnen beteiligt. Die heute vielleicht bekannteste unter ihnen, Gabriele Münter (1877-1962), zeigte sechs Werke – auch diese „Landschaft mit Raureif“, die seit 1961 zu unserer Sammlung gehört. Trotz dieses Erfolges äußerte sich Münter gegenüber ihrem damaligen Partner, dem Maler Wassily Kandinsky, selbstkritisch über ihre Malerei: „Aber wie soll ich Form finden, was ist überhaupt Form? Welche ist richtig, welche ist falsch?“

Wie es das Wuppertaler Bild dokumentiert, führt ihr Ringen um die „richtige Form“ zur rigorosen Vereinfachung der Bildmotive. Münter beschäftigte sich zu dieser Zeit mit Volkskunst und mit Stil und Technik der volkstümlichen Hinterglasmalerei, was man ihren Bildern anmerkt.

In klar voneinander abgegrenzten, meist schwarz konturierten Flächen stehen leuchtendes Rot und Gelb unvermittelt neben blasseren, mit Grau vermischten Tönen. Mehrere Häuser säumen den Berghang, an dessen Flanke drei schneebedeckte Bäume stehen. Die diagonale Bewegungsrichtung verleiht dem Motiv Dynamik. Zugleich wirkt es durch den subjektiven Zugriff der Künstlerin wie deformiert. Trotz der vibrierenden Pinselführung und der ungewöhnlichen Farbkontraste strahlt die Landschaft Harmonie und winterliche Ruhe aus.

Gabriele Münter gehört neben Paula Modersohn-Becker zu den bekanntesten Vertreterinnen des Expressionismus, die sicher zu Unrecht oft im Schatten ihrer männlichen Kollegen standen. Münter wurde 1877 in Berlin geboren, zog aber bereits 1901 nach München und blieb bis zu ihrem Tod, mit längeren Aufenthalten im Ausland, Bayern treu. Sie starb in Murnau, wo sie schon 1909 ein Haus erworben hatte. Heute ist es ein Museum, das an die Künstlerin erinnert.

Da die Kunstakademien damals für Frauen nicht zugänglich waren, nahm Münter in München Unterricht an der Damenakademie des Künstlerinnen-Vereins, unter anderem im Aktzeichnen – bei Kandinsky. Er war auch ihr Lehrer bei ihrem ersten Malkurs. Nach einem gemeinsamen Jahr in Paris und Reisen, die das Künstlerpaar auch nach Nordafrika führte, zog es nach Murnau am Staffelsee, südlich von München. Viele von Münters Motiven sind dort entstanden, auch unsere winterliche Landschaft.

Zehn Werke der Künstlerin sind in unserer Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“ versammelt – so viele bekommt man selten gemeinsam in einer Schau zu sehen. In einem Raum, der den Künstlerpaaren beim „Blauen Reiter“ gewidmet ist, kann man erkennen, wie sie sich gegenseitig beeinflusst haben. Münter scheint sich mit Kandinsky mitunter sogar dieselbe Palette geteilt zu haben. Das Paar trennte sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als Kandinsky zunächst das Land verlassen musste, später komplett nach Russland zurückkehrte und dort heiratete. In zwei Arbeiten, die in unserer Ausstellung ebenfalls zu sehen sind, hat Münter ihren damaligen Partner verewigt.