Von der Heydt-Museum Wuppertal Eine Steigerung ins Absurde
Die Toteninsel-Adaption von Salvador Dalí ist Teil der Sammlung des Von der Heydt-Museums.
In Paris begann 1929 die wichtigste Schaffensphase des spanischen Malers Salvador Dalí (1904-1989). Dort lernte er André Breton, den Schriftsteller und Theoretiker der Surrealisten, kennen, der ihn als Gruppenmitglied aufnahm. Beeinflusst durch die Theorien des Psychoanalytikers Sigmund Freud begann Dalí, dessen Erkenntnisse ins Provokative und Absurde zu steigern.
In dem Werk aus unserer Sammlung bezieht sich der Spanier gleich auf zwei berühmte Gemälde des 19. Jahrhunderts: Das populärste Bild des französischen Realisten Jean FranVois Millet „Angélus“ (1857/59) sowie „Die Toteninsel“ des Schweizer Symbolisten Arnold Böcklin. Beide Werke laden durch ihre suggestive Stille zur versenkenden Betrachtung ein.
Böcklins Ideallandschaft zeigt zwischen dunkler Wasser- und Himmelsfläche eine Felseninsel, auf die ein Ruderkahn mit Sarg und weiß verhüllter Rückenfigur zusteuert. Millet idealisiert ein Bauernpaar, das beim Angelusläuten die Ernte unterbricht und betend innehält. Dieses Gemälde wurde in Frankreich zu einer „Ikone“ – und 1932 im Louvre von einem Psychopathen zerschnitten. Im selben Jahr widmete Dalí dem Werk, dessen psychoanalytische Dimension ihn fesselte, seine Toteninsel-Adaption.
Seinen Vorbildern entsprechend gab Dalí dem Himmel viel Raum, mehr als die Hälfte des Bildes. Der Himmel berührt, zum Horizont heller werdend, eine von der Sonne beschienene glatte Wasserfläche. Von der dunklen Zone im Vordergrund hebt sich ein weißer Kubus mit weißer Tasse ab, aus deren Mitte eine lange Stahlnadel zum oberen Bildrand ragt. Fern spiegelt sich eine Landzunge mit hohem Bergrücken im Wasser. Streng im Schnittpunkt der Fluchtlinien von Kubus und dunkler Ebene liegt das Zentralmotiv, der Fels der Landzunge, dessen Umriss Böcklins Inselmotiv andeutet.
Zur Entstehungszeit des Gemäldes 1932 war Dalí noch Mitglied der Pariser Surrealistengruppe. Er übte sich damals in wahnhafter Wahrnehmung und propagierte seine „paranoisch-kritische Methode“ der Bildfindung. Seinen Referenzwerken Toteninsel und Angelusläuten antwortete er mit einem Gegenentwurf zu deren überwältigender Stille. Sein künstliches Landschaftskonstrukt verweist auf Unbewusstes, dessen Wahrheit sich nach Freud im Absurden des Traums manifestiert.
Durch albtraumhafte Symbolik der Leere suchte Dalí, Böcklins „Bild zum Träumen“ zu übertrumpfen. „Ich mische den Tod in all meine schöpferischen Akte und spiritualisiere ihn so immer mehr, indem ich seinen Geist in meine Träumereien, meine Gedanken, meine Erregungen, meine Genüsse, in mein Fleisch, meine Knochen hineintrage“, schrieb Dalí einmal. Das tiefgründige Bild, das Eduard von der Heydt dem Museum 1961 schenkte, ist in unserer neuen Sammlungspräsentation „An die Schönheit“ zu sehen, die wir, wenn das Museum wieder öffnet, zeigen.
»Das Von der Heydt-Museum ist zurzeit geschlossen, um die schnelle Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.